Toedliche Luegen
verriet die Journalistin. Staunend lauschte Beate dem vor Temperament und Energie strotzenden Bericht von Madame Lubeniqi. Offenbar hatten sie und Jean Chasseur erfreuliche Fortschritte bei der Enthüllung weiterer Skandale in Ferrards Klinik gemacht. Nun brannte sie darauf, die Neuigkeiten mit Beate zu teilen.
„Sie können sich nicht vorstellen, was es alles zu bereden gibt. Es ist einfach unfassbar. Wir müssen uns unbedingt treffen.“
„Aus eben diesem Grund rufe ich an. Ich wollte Sie gerade bitten , Sie mit Alain Germeaux bekanntmachen zu dürfen. Ich habe Ihnen von meinem Onkel erzählt, erinnern Sie sich?“
„Na, und ob! Der Empfänger der Spenderniere, nicht wahr?“
„Ja, genau der. Wir haben Ihren Brief gelesen und seitdem ist er ganz versessen darauf, Sie persönlich kennenzulernen.“ Sie zuckte mit der Achsel. Alain würde ihr diese kleine Übertreibung sicherlich verzeihen. „Darf ich Sie in den nächsten Tagen auf einen Kaffee einladen?“
„Das ist eine großartige Idee. Besser noch wird es sein, Sie kommen mit Ihrem Onkel bei mir vorbei. Ich muss Ihnen nämlich einige Dinge zeigen, die Ihnen die Sprache verschlagen werden. Es ist unglaublich, wessen Spur wir aufgenommen haben. Aber lassen Sie sich überraschen. Uns steht zweifellos eine aufregende Jagd bevor. Einen Moment, ich will schnell im Kalender …“
Wahrscheinlich war Renée der Telefonhörer aus der Hand ge rutscht, denn Beate hörte einen leisen Aufschrei, dem ein dumpfer Schlag und das Rascheln von Papier folgten.
„Entschuldigung, bin schon wieder hier. Ich bin noch ziemlich durcheinander. Wie sieht es am Samstag aus? Samstag in dieser Woche? Jean und ich fliegen heute nach Deutschland, spätestens am Freitag wollen wir zurück sein. Wir hoffen , in Hamburg die letzten fehlenden Steinchen in unserem Mosaik zu finden. Und dann legen wir ein für alle Mal diesem sauberen Doktor Ferrard das Handwerk.“
„Sie wollen nach Hamburg?“ Beate spürte, wie sich ihr Magen verkrampfte. Und es war Angst, pure Angst, die wie Säure in ihr brannte. „Seien Sie um Himmels willen vorsichtig!“
Ihre Stimme schwankte, als sie sich für Renées Einladung bedankte. Obwohl sie ursprünglich nicht vorgehabt hatte, am Telefon davon zu erzählen, ließen ihr die eigenen Erkenntnisse, Germeaux und Tornesch betreffend, keine Ruhe. Und so berichtete sie von den Informationen, die Pierre unfreiwillig geliefert hatte, als sie sein Telefonat belauschte. An dem Tag, als er nach Tornesch bei Hamburg flog. Nachdem Ferrard angekündigt hatte, Alain innerhalb einer Woche mit einer funktionstüchtigen Niere versorgen zu können.
„Oh Beate, diese Hinweise sind von eminenter Bedeutung! Warum haben Sie mich so lange im Dunkeln tappen lassen? Dieses Wissen wird uns ein ganzes Stück weiterbringen. Und …“
J etzt konnte Beate das Grinsen auf dem Gesicht der Journalistin förmlich vor sich sehen.
„ Ich freue mich darauf, Ihren Onkel kennenzulernen. Richten Sie sich auf einen langen Tag ein.“
„Bitte, geben Sie auf sich Acht, Renée.“
„Aber sicher, mein Kind.“ Die Journalistin schnaufte erleichtert in den Telefonhörer. „Diesmal, das schwöre ich bei allem, was mir heilig ist, diesmal bringen wir es zu Ende. Das Schlachten wird ein Ende haben.“
Was sich als verhängnisvoller Irrtum herausstellen sollte.
Beate klopfte das Herz auch lange noch, nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte, bis zum Hals. Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen, doch das unbehagliche Gefühl wollte und wollte nicht von ihr weichen. Umständlich wischte sie ihre schweißnassen Hände an der Hose ab. Es gelang ihr nicht, diese plötzliche Furcht zu kontrollieren. Sie spürte, dass sie auf einem Pulverfass saß und einige böse Überraschungen unmittelbar bevorstanden.
Die geheimnisvollen Andeutungen von Madame Lubeniqi ließen ihr auch den Rest des Tages keine Ruhe und beschäftigten sie sogar noch am Abend. Nachdenklich stieg sie den Niedergang zu Alains Zimmern empor, um ihm von dem Telefonat zu berichten.
Mit zurückgebundenem Haar und finsterer Miene saß er vor seinem Computer und hämmerte auf der Tastatur herum. Seit mindestens zehn Minuten murmelte er in einer durchaus eleganten Mischung aus Französisch und Deutsch vor sich hin. Seine Augen brannten, nachdem er den ganzen Tag an seiner Dissertation geschrieben hatte.
„Du? Was willst du?“, knurrte er abwesend und hatte dabei diesen leicht irritierten Blick eines Menschen, der sich
Weitere Kostenlose Bücher