Toedliche Luegen
mit flinken Fingern die Tastatur. Wahrscheinlich hatte er ihre Frage nicht einmal mehr gehört.
Voller Ungeduld und Spannung hatte Beate auf das Wochenende gewartet. Einerseits freute sie sich auf das Wiedersehen mit Renée Lubeniqi, andererseits jedoch hatte sie unbeschreibliche Angst davor. Wie würde sie reagieren, wenn die Journalisten mit ihren Recherchen in Hamburg nicht allein Doktor Ferrard, sondern ebenfalls ihren Vater belasten könnten?
In dieser Sekunde plagten sie allerdings ganz andere Sorgen, denn sie sah einen fürchterlichen Krach mit Alain auf sich zukommen, nachdem sie vor einer halben Stunde von ihrem Chef telefonisch geweckt worden war. Kopflos und hektisch – ohne Zeit damit zu verlieren, ein Wort der Entschuldigung über die unsanfte Störung am frühen Samstagmorgen anzubringen – hatte er sie gebeten, sofort zum Büro zu fahren. Am Vormittag wurde eine Delegation monegassischer Banker erwartet und sie, Beate Schenke, die Neue, das deutsche Greenhorn, sollte einen Kollegen vertreten, der für die Betreuung vorgesehen war und kurzfristig absagen musste.
Was sie zunächst mit Stolz und Genugtuung erfüllt hatte, versuchte sie jetzt mit eingezogenem Kopf und so behutsam wie nur irgend möglich , Alain am Frühstückstisch beizubringen. Sie befürchtete, dass er nicht so ohne weiteres einsehen würde, weshalb sie ihrem Boss diese Bitte nicht abschlagen konnte.
„Das ist nicht dein Ernst! Bea, sag, dass das nicht wahr ist! Zum Donnerwetter, du wusstest, dass wir heute zu diesen Journalisten wollen! Konntest du nicht einfach ‚Nein’ sagen?“
„Alain, es tut mir leid. Laurent hat sich gestern beim Skifahren in den Alpen ein Bein gebrochen. Das konnte niemand ahnen, als ich den Termin mit Renée ausgemacht habe. Und Laurent ist wirklich ein hervorragender Alpinist.“
„Es gibt noch andere guides “, grollte Alain und warf seine Serviette verärgert auf den Teller. „Niemand ist unersetzlich, nicht mal du.“
In seinem Ärger übersah er, wie Beate zusammenzuckte und einen langen Augenblick nach Luft rang. Und er hörte genauso wenig die Trauer in ihrer Stimme, als sie weitersprach. „Die wenigen, die heute nicht arbeiten, sind mit ihren Kindern in die Osterferien gefahren. Du hast selbstverständlich Recht, ich bin durch jede x-Beliebige zu ersetzen, aber Monsieur Chartrand will mir mit dieser Führung eine Chance geben, verstehst du? Ich konnte nicht anders, als zusagen. Wenn du willst, rufe ich Renée an und wir machen einen neuen Termin aus. Das Treffen läuft uns nicht davon und Renée wird es verschmerzen.“
Zähneknirschend winkte er ab. „Mach, wie du denkst. Mir ist die Lust vergangen. Du hast ohnehin kaum Zeit für mich.“
Waaas? Sie starrte ihn mit aufgerissenen Augen an, während ihre Kinnlade nach unten sackte. Das konnte wohl lediglich ein Versprecher gewesen sein! Er hielt ihr das vor? Ausgerechnet er? Sie würgte an dem Aufschrei der Entrüstung, der ihr in der Kehle brannte. Missmutig dachte sie an die vergangenen Tage und Abende nach ihrer Rückkehr aus Deutschland. Seit dem Fiasko ihrer ersten gemeinsamen Nacht waren sie sich mehr oder weniger unbewusst aus dem Weg gegangen. Jeder fühlte sich schuldig an dem misslungenen Versuch. Und keiner von beiden wagte, dieses Thema zur Sprache zu bringen.
Sie warf einen verstohlenen Blick auf ihre Armbanduhr.
„Ja, geh nur“, bellte er gereizt. „Verschwinde.“
„Es ist noch Zeit.“
Sie wollte keinen Ärger provozieren, also ging sie nicht auf seinen Vorwurf ein. Was sollte sie darauf antworten, ohne ihn noch mehr gegen sich aufzubringen? Offenbar war es im Moment sinnlos zu versuchen, mit ihm zu reden wie mit einem einigermaßen vernünftigen Menschen.
„ Es ist nun einmal ein saisonabhängiger Job, den ich mir ausgesucht habe, Alain“, bat sie mit sanfter Stimme um sein Verständnis. „Die Arbeit macht mir Spaß und ist außerdem die beste Vorbereitung auf mein Studium. Ich möchte sie nicht aufgeben, bloß weil …“
„Jajaja, schon gut.“ Genervt unterbrach er ihre Erklärungen. Er stieß seinen Stuhl mit einem Ruck vom Tisch. „Nein, du musst diese Frau nicht anrufen. Ich kann genauso gut ohne dich gehen. Sonst sieht es womöglich so aus, als könnte ich ohne Babysitter keinen Schritt aus dem Haus machen.“
Seine barschen Worte trafen Beate härter, als sie selbst erwartet hätte. Versöhnlich legte sie die Arme um seine Taille, um ihn zu sich ziehen. Sie wollte sich nicht im Streit von
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