Toedliche Luegen
könnten mir nicht helfen. Sie wissen, das ist nicht wahr. Sie haben mir mehr geholfen als sonst ein Mensch auf dieser Welt.“
„Das ist meine Arbeit, Alain. Dafür werde ich bezahlt.“
„Es ist nicht bloß Ihre Arbeit, für die ich Sie bezahle. Und es ist sehr viel mehr, was Sie für mich getan haben.“
„Es ist noch längst nicht genug gewesen.“
Mit einer Handbewegung wischte er ihren Einwand beiseite und erkundigte sich: „Wann ist sie weg?“
„Gleich heute Morgen, kurz nachdem Sie das Haus verlassen haben. Sie hatten Ihr Handy in der Küche vergessen. Und ich wusste nicht, wo ich Sie unterwegs telefonisch hätte erreichen können. Bei Ihrem Professor waren Sie nicht. Auch Ihr Freund … dieser Arzt …“
„Fabien.“
„Er wusste ebenfalls nicht, wo Sie sind. Ich habe sogar … Es tut mir leid, aber ich dachte, ich hätte vielleicht einen Ihrer Nachsorgetermine vergessen, und deshalb habe ich in der Bibliothek in Ihrem Schreibtischkalender …“
Es dauerte außergewöhnlich lange, bis er den Sinn ihrer Worte erfass te. Dann jedoch ruckte sein Kopf in die Höhe. „Was? Was haben Sie da eben gesagt?“
„Ich wusste mir keinen anderen Rat, als in Ihren Unterlagen …“
„Nein! Nicht das! Mein Handy. Was war mit meinem Handy?“
„Sie haben es in der Küche liegen lassen“, wiederholte sie verwundert. „Haben Sie das gar nicht bemerkt?“
Seine Miene verfinsterte sich. „Ich war mir sicher, es auch heute, so wie immer, eingesteckt zu haben“, murmelte er. „Ich habe mich über meine Vergesslichkeit gewundert, denn das ist mir noch nie passiert.“
Er schl ug seine Hand durch die Luft. „Weil ich es nicht vergessen habe! Dieses hinterhältige Frauenzimmer! Bea muss es aus meiner Tasche genommen haben, damit Sie mich nicht informieren konnten. Sie hat alles genau geplant.“
Kopflos lief Alain auf und ab. Wie bloß sollte er Beate finden, wenn sie offensichtlich nicht gefunden werden wollte? War sie noch in Paris oder hatte sie einen Flug nach Deutschland gebucht? Wenn sie gleich heute Morgen abgereist war, konnte sie in der Zwischenzeit …
Gütiger Himmel , sie konnte mittlerweile sonst irgendwo auf dieser gottverdammten Welt sein! Und ihm blieb nichts anderes, als auf den Zufall hoffen, der ihn zu Bea führte.
Abrupt unterbrach er seine Wanderung. In Gedanken versunken schaute er zu Isabelle, aber er schien sie nicht wahrzunehmen. Dann eilte er in das Büro, zerrte mit zitternden Fingern ein Schubfach nach dem anderen im Schreibtisch auf und wühlte flüchtig deren Inhalt durch. Endlich hielt er sein Scheckheft in den Händen. Eilig kritzelte er das Datum sowie seine Unterschrift auf das Blatt.
„Wir werden die Therapie weiterführen, wenn ich mit Beate zurück bin. Es ist nicht richtig, ich weiß. Und ich habe keine Ahnung, wie i ch das ohne Sie schaffen soll.“ Er riss den Blankoscheck mit einem heftigen Ruck aus dem Heft und hielt ihn ungeduldig der Frau entgegen. „Doch es geht nicht anders. Ich melde mich bei Ihnen in Brest, Isabelle. Wenn ich Beate gefunden und nach Hause geholt habe. Sie werden gemeinsam mit uns auf unserer Hochzeit tanzen, das schwöre ich, oder ich will nicht mehr leben. Sie hat sich nichts mehr als ein Zuhause gewünscht. Sie hat ein Zuhause, nämlich genau hier bei mir, und wenigstens das muss sie erfahren, bevor sie mich verlässt.“
Als er wenig später im Taxi zum Flughafen saß, sah er nicht die Sonne, die den Menschen ein Lächeln auf die Gesichter zauberte. Er spürte nicht die Wärme, die die Menschen in die Parks und Straßencafés lockte. Die Wirklichkeit erschien ihm grau und trostlos ohne Beate.
Sein Blick hatte sich nach innen gerichtet, auf die bunte Landschaft seiner Erinnerungen. Beate, die mit einem Blumenstrauß in der Hand sein Krankenzimmer betrat und wenig später die ersten Tränen seinetwegen vergoss. Beate, wie sie nach ihrem Vorstellungsgespräch voll Stolz und Tatendrang in die Villa Chez le Matelot zurückkehrte. Die Abendmahlzeiten, die sie zu zweit bei Kerzenschein einnahmen und die Gespräche, die sich daran mal lautstark, mal leise anschlossen. Beate in den Armen des smarten Yachtkapitäns. In seinen Armen. Und von da an nur noch in seinen Armen. Der Verlobungsring in seiner Hand.
Beate hatte ihn mit ihrer Liebe vor einem einsamen Leben bewahrt. Nichts und niemand sollte sie trennen. Nach allem, was sie an Freud und Leid geteilt hatten, was sie voneinander wussten, war er leichtsinnig geworden – viel zu
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