Toedliche Luegen
Zornesröte ins Gesicht. Und das machte sie noch wütender, als sie es bemerkte.
Er hingegen bedachte sie lediglich mit einem kurzen Seitenblick.
„Bist du jetzt fertig?“, fragte er mit frostiger Stimme. Und weil er nicht erpicht darauf war, Beates Schimpfkanonade bis zu krankhafter Größe anwachsen zu lassen, setzte er tadelnd fort, die Stirn sorgenvoll gerunzelt: „Dein Repertoire ist umwerfend. Bravo! Allerdings ziemt es sich nicht für des Gentilhomme Töchterchen, solcherart ungehörige Worte in das niedliche Mäulchen zu nehmen. Wie entsetzt wäre Monsieur, könnte er dich so hören!“
Sie rang schockiert nach Luft und versuchte verzweifelt, ihre Gedanken auf Massenkarambolagen, ihre Steuererklärung und Monster aus dem All zu lenken – alles, was sie davon abhielt, sich mit weiteren unbedachten Worten vor ihm schrecklich zu blamieren. Oder ihm die Faust mitten in die selbstgefällige Visage zu pflanzen.
„Hast du einen Schnellzug gewählt, um durch deine Kinderstube zu rasen? Das war offenbar die erste einer ganzen Reihe von Fehlentscheidungen in deinem Leben.“
Belustig t verschränkte er die Arme vor der breiten Brust und lehnte sich bequem in seine Kissen zurück. In den blauen Tiefen seiner Augen lag ein durchtriebenes Funkeln.
„ Das soll nicht dein Problem sein“, schnappte sie und mühte sich, möglichst selbstbewusst zu wirken und nicht wie der Dummkopf, als der sie sich in Wirklichkeit fühlte. Unglücklicherweise spielte ihre Stimme nicht mit und verriet sie durch ihren schrillen Klang. Sie hörte sich eher weinerlich als lässig an und spürte, wie ihr Gesicht rot anlief. Knallrot.
Er starrte sie unter seinen halbgesenkten Lidern an und ergötzte sich ungeniert an ihrem Kummer.
„Nein, ist es tatsächlich nicht“, entgegnete er beiläufig. „Aber es sieht ganz so aus, als hättest du nicht nur eins.“ Seine Mundwinkel hoben sich in selbstgefälliger Erheiterung.
Beate hätte besser auf seine Äußerungen reagieren können, wenn sie gewusst hätte, worüber sie eigentlich sprachen. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, was in Alains Kopf vorging.
„Bevor ich verschwinde, verrate mir bitte, was ich dir getan habe. Soweit ich mich erinnere, habe ich dir dein Leben gerettet und …“
Seine Brauen fuhren zusammen wie zwei Gewitterwolken. „Erwarte nicht, dass ich dir vor Dankbarkeit die Füße küsse. Ich habe dich um keinen Gefallen gebeten.“
„ Aha, hört sich fast so an, als wäre da einer zu stolz, um Hilfe zu bitten. Aber Fakt ist, dass du beinahe über die Klinge gesprungen wärst und du wirklich dankbar sein solltest, dass es Menschen gibt, die man nicht erst um den unbedeutenden Gefallen bitten muss, Lebensretter zu spielen. Steht dir dein Ego öfter mal im Wege? Oder ist es dein …“
Beat e stockte abrupt, sodass sie sich an dem Wort regelrecht verschluckte. Ein erbärmlicher Husten schüttelte ihren Körper und trieb ihr die Tränen in die Augen. „Du hast ein Problem mit meinem … mit Pierre, nicht wahr?“
Mit jetzt wieder zynisch nach unten gezogenem Mundwinkel genoss Alain ihre Tirade. Er lehnte sich zurück und musterte Beate unter träge gesenkten Lidern. Er hatte sie zuvor höchstens oberflächlich betrachtet, gut genug jedoch, um zu wissen, dass sie nicht sein Typ war, trotz seiner automatischen Anmache. Nun allerdings wurde sie von Sekunde zu Sekunde interessanter. Ihre kühle Fassade reizte ihn, etwas wahrhaft Schockierendes zu machen. Vielleicht sollte er sie auf seinen Schoß zerren und küssen, bis ihr die Luft wegblieb und ihr die Stärke aus der Wäsche flog.
Er grinste still vor sich hin. Auf den zweiten Blick war sie immer noch nichts Besonderes – bis auf d as rebellische Aufblitzen in ihren Augen. Gott bewahre ihn vor widerspenstigen Weibern! Die dachten viel zu viel, statt ihren Instinkten zu folgen. Sie war recht ansehnlich, mehr aber auch nicht. Und das Schlimmste: Sie schien ihn als Mann überhaupt nicht wahrzunehmen. Er war es gewöhnt, dass alle Frauen auf ihn flogen, selbst wenn sie nicht so lebensmüde waren und sich mit ihm einlassen wollten. Doch dieses Mädchen schien kein einziges lebendes Hormon in ihrem Körper zu haben. Tot vom Genick abwärts, welch ein Jammer.
Sie wiederum strafte sein blödes Grinsen mit Verachtung, während sie sich das Gesicht an ihrem T-Shirt trocken tupfte.
„Eure kindische Fehde oder was immer da zwischen dir und Pierre läuft, geht mich nichts an, wenn du es genau wissen willst. Lass deine
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