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Toedliche Luegen

Toedliche Luegen

Titel: Toedliche Luegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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hervorstieß: „Du bist nicht Pierres Tochter!“
    Sie öffnete den Mund zu einem heftigen Protest, aber ausgerechnet jetzt fehlten ihr die Worte. Oder genauer gesagt: höfliche Worte. Ihr kam schon einiges in den Sinn, was sie gern erwidert hätte, wenn sie nicht befürchtet hätte, dass Gott sie dann tot umfallen lassen würde. Deswegen presste sie erst einmal die Lippen fest aufeinander und holte tief Luft.
    „ Äh?“
    Sie versuchte es noch einmal , indem sie hektisch ausatmete. Und erneut den Mund schloss, ohne etwas gesagt zu haben. Die Ungeheuerlichkeit seiner eiskalt getroffenen Feststellung hatte sie vollkommen überrumpelt.
    „W-was?“, würgte sie schließlich hervor , während sie sich gleichzeitig fragte, ob es schon zu spät war, so zu tun, als würde sie kein Deutsch verstehen.
    „Oh, hat es dir die Sprache verschlagen, meine Kleine?“, erkundigte sich Alain mit mitleidsvoller Stimme und Schmollmund.
    Ja, dachte sie und hätte ihm dafür glatt eine reinhauen können.
    Bedächtig schüttelte Germeaux den Kopf und der Ausdruck auf seiner hübschen Larve wurde mörderisch. Er schaute ihr mitten ins Gesicht, sodass sie die volle Kraft seiner Augen zu spüren bekam. Es waren die Augen eines bösen, gefährlichen Buben, die ihr buchstäblich den Atem raubten.
    Augen, die das Leben gesehen hatten. Und nicht nur seine Schokoladenseite.
    „ Ich könnte mich irren“, sagte er in dem Tonfall eines Mannes, der das für sich definitiv ausschloss, „gleichwohl frage ich mich, wie du jemals auf die irrsinnige Idee kommen konntest, der alte Germeaux sei dein Vater.“
    Beate musste ihren Blick senken, ehe sie sich in der Lage fühlte, ihm eine Antwort zu geben, die auf ein einigermaßen akzeptables Maß an Intelligenz schließen ließ. „Tut mir leid, nicht ich habe mir Pierre als Vater ausgesucht.“
    „ Wie geistreich, meinen Glückwunsch! Versuche bloß nicht, witzig zu sein. Es wirkt …“, seine langen Finger trommelten auf die gespitzten Lippen, „einfach lächerlich.“ Mit einer affektierten Handbewegung warf er sich das Haar zurück und neigte den Kopf in Erwartung ihrer Reaktion leicht zur Seite.
    Ungeachtet der beabsichtigten Beleidigung versuchte Beate seine verletzende Bemerkung zu ignorieren. Sie atmete langsam aus und hielt mit brutalem Griff an ihrer Geduld fest, die ihr entgleiten wollte. Mühsam unterdrückte sie den aufkeimenden Zorn und hielt ihm statt einer Erwiderung einen Strauß Blumen entgegen. „Ich wollte mich erkundigen, wie es dir geht.“
    „Danke, bis eben bestens.“ Er verdrehte die Augen und übersah geflissentlich die Blumen, die sie mit so viel Sorgfalt für ihn ausgesucht hatte. „Sonst noch was?“, grunzte er unbeeindruckt und widmete alle Aufmerksamkeit seinen manikürten Fingernägeln.
    Sie machte den Mund auf, um etwas zu erwidern, doch der Laut, den sie schließlich hervorbrachte, zählte nicht unbedingt zur Hochsprache. Es war eher etwas wie ein „ Oooaaarghhh“. Und zwar mit vor Verärgerung bebender Stimme.
    „Da kann ich dir in jedem Punkt nur zustimmen“, entgegnete Alain und schien sich prächtig zu amüsieren.
    So hatte sich Beate die erste Begegnung mit dem Bruder ihres Vaters nicht in ihren schlimmsten Träumen vorgestellt. War es da verwunderlich, dass sie jetzt stumm vor seinem Bett stand, ihn ausgesprochen dümmlich anstierte und nicht mehr weiterwusste?
    Offensichtlich hatte er gerade diese Reaktion von ihr erwartet, denn süffisant grinsend hob er die Hand und machte eine Bewegung, mit der man auch eine lästige Fliege davonjagte. Wie er sie einschätzte, würde ihr später gewiss noch etwas einfallen – und dann wäre die Hölle los. Um diesen Augenblick hinauszuzögern, spottete er betont gelangweilt: „Gut, dann grüße Monsieur von seinem geliebten Bruder. Einen schönen Tag noch.“
    Während sich Alain an seinem kampflos errungenen Sieg erfreute, schnappte Beate noch immer nach Luft. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt und sie würgte wie an verdorbenem Essen, bis sie vor ihm ausspie: „Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du der mit Abstand widerwärtigste und arroganteste Mensch auf dieser Welt bist? Wir haben uns nie zuvor gesehen, haben nie ein Wort miteinander gewechselt und doch behandelst du mich, als wollte ich dir die Butter vom Brot nehmen. Und dabei kommst du dir sogar ungeheuer witzig vor, was? Soll ich dir was sagen? Du hast echt einen an der Waffel!“ Je heftiger sie schimpfte, desto mehr stieg ihr die

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