Toedliche Luegen
nehmen. Deine Geschäfte gehen selbstverständlich vor. Und ich laufe dir nicht weg.“ Sie zwinkerte ihm zu und lachte gekünstelt. „Ich komme schon zurecht. Darf ich dich fragen, wann du zurück sein wirst?“
„ Heute Abend werden wir wie geplant bei ‚Carlos’ essen.“
Sie bemerkte die Unruhe in seinen Augen, die verstohlenen Blicke auf seine Uhr und zurück zum Telefon. Er hatte es eilig und verschwendete weder Mühe noch Zeit darauf , es vor ihr zu verbergen. Sie beschloss, Pierre zu Hilfe zu kommen, und legte ihm ihre Hand auf den Arm. „Ich will dich nicht länger aufhalten. Viel Erfolg, Papa.“
Na ch wie vor widerstrebte es Beate, diese vertrauliche Anrede zu benutzen. Heute indes hatte Pierre Trost und Verständnis nötig. Und dabei war sie nicht einmal sicher, ob er ihre Worte überhaupt gehört hatte. Er machte einen völlig abwesenden Eindruck. Sie trat dichter zu ihm, hob sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen flüchtigen Kuss, bevor sie ihm aufmunternd zuwinkte. Leise schloss sie die Tür hinter sich. Erst als sie draußen die Luft hörbar ausstieß, wurde ihr bewusst, dass sie vor Anspannung die ganze Zeit über den Atem angehalten hatte.
Drei Stunden später stand Pierre Germeaux auf dem kleinen Flugplatz. Noch immer hatte sich seine Empörung nicht gelegt. Verfluchter Bastard! Ausgerechnet für Alain musste er diese Mühen auf sich nehmen, diese Hektik und den ungesunden Stress am frühen Morgen!
Und er hatte die Verabredung mit Beate platzen lassen, was ihm ebenso widerstrebte. Bereits vor Tagen hatte er ihr mit Emphase eine seiner Kreditkarten aufgedrängt, dennoch würde sie nicht, so gut glaubte er sie inzwischen zu kennen, ohne ihn durch die Boutiquen von Paris bummeln. Mit wachsendem Missbehagen beobachtete er stattdessen, wie sie sich immer öfter zum Krankenbesuch bei Alain aufhielt und danach jedes Mal gut gelaunt nach Hause kam.
Ein gepanzerter Mercedes raste über das leere Rollfeld und hielt mit quietschenden Reifen dicht neben Germeaux‘ Firmen-Jet. Die Tür wurde aufgestoßen und ein baumlanger Kerl schob sich aus dem Wageninnern. Eine breite Narbe teilte das Gesicht des Fahrers diagonal von der rechten Schläfe bis zum linken Ohrläppchen und gab ihm ein erschreckendes Aussehen, da nicht einmal das lange Haar, das ihm in fettigen Strähnen ins Gesicht hing, den Schnitt verdecken konnte. Der ganz in schwarzes Leder Gekleidete öffnete behäbig den Kofferraum der schweren Limousine und entnahm ihm einen hohen Behälter. Ohne ein Wort stellte er die Kühlbox vor Germeaux’ Füße und grinste ihn selbstzufrieden an, während er die Hand mit einer fordernden Geste ausstreckte.
Pierre Germeaux verzog angeekelt das Gesicht, als ihm eine widerliche Wolke aus Nikotin und Schweiß entgegenwehte. Er bückte sich nach dem Alukoffer, der neben ihm stand, und hielt ihn dem Narbengesichtigen unter die Nase, wobei er demonstrativ sein Gesicht abwendete. Routiniert ließ der Fahrer die Schlösser aufschnappen und betrachtete wohlwollend den Inhalt des Koffers.
„Ok ay, Mann, ich denke, ich muss nicht nachzählen.“
Seine wulstigen Lippen entblößten vom Ta bak verfärbte, lückenhafte Zähne. Obwohl er Deutsch sprach, erkannte Germeaux den Amerikaner in ihm. Mit einer fast zärtlichen Geste strich der über die druckfrischen Scheine, als hielte er eine willige Frau im Arm.
Der Franzose machte keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen diesen Handlanger des Unbekannten, d er in genau diesem Moment um hundertfünfzigtausend Dollar reicher geworden war. Es demütigte ihn, den Millionenerben und erfolgreichen Unternehmer, mit einem heruntergekommenen Kerl dieses Geschäft abwickeln zu müssen.
„Natürlich nicht“, en tgegnete Germeaux knapp. Er hatte es eilig, von hier zu verschwinden, und war dankbar, dass sich der grobschlächtige Muskelprotz ohne ein weiteres Wort umdrehte, den Geldkoffer in den Wagen warf und sich schwer auf den Fahrersitz sinken ließ. Mit gönnerhafter Geste hob er noch einmal seine riesenhafte Pranke zum Gruß und fuhr davon.
Da stand er nun, der souveräne und selbstsichere Pierre Germeaux , und ähnelte mehr einem Häufchen Unglück als dem rücksichtslosen Geschäftsmann, der er war. Seine sonst so gestrafften Schultern sanken nach vorn, als er mit wutverzerrtem Gesicht auf die Kühlbox zu seinen Füßen starrte. Ihm war bewusst, mit ihrem kostbaren Inhalt Alains weiteres Leben in den Händen zu halten. Germeaux musste sich mit Gewalt zwingen,
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