Toedliche Luegen
tatsächlich zu schwach und musste sich deswegen mit einem ungläubigen Blick in Beates Richtung begnügen.
„Erzähl mir von dir. Wieso … kannst du nicht … zurück?“, krächzte er und unterdrückte mit schmerzlich verzogenem Gesicht den quälenden Husten in seiner Brust.
„Du sollst den Schnabel halten“, blaffte sie Alain in einem Ton an, der ihn von weiteren Fragen abhalten sollte.
„ Warum? Haben dich deine Eltern … vor die Tür gesetzt oder bist du auf der Flucht … vor jemandem?“
S ie schrak auf, als hätte er sie mitten ins Gesicht geschlagen. Ihre großen, grünen Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Sie schluckte mit fest aufeinander gepressten Lippen einen Schluchzer hinunter. Dann brach sie in Tränen aus.
Sein sanftes Lächeln erstarb , während leise Panik in ihm aufstieg und ihm die Kehle zuschnürte. Mit wütenden, aufgebrachten, keifenden, sogar hysterischen Frauen konnte er umgehen – indem er ihnen keinerlei Beachtung schenkte. Tränen dieser Art dagegen fühlte er sich machtlos ausgeliefert.
„Böses Foul. Auszeit , Bea.“ Es war Besorgnis, die in seiner Stimme mitschwang, während er Beate zu beruhigen versuchte. „Aber … he, Bea! Was ist los? Ich wollte nicht …“
Er wusste nicht, wofür er sich eigentlich entschuldigte. Es war ihm auch völlig gleich, wenn sie nur e ndlich aufhörte zu weinen und sie wieder zu ebenbürtigen Gegnern wurden. „Tut mir leid, Kleine. Schsch, ich wollte dir nicht wehtun.“
„ Bilde dir bloß nichts ein“, schluchzte sie mehr als undeutlich und wischte sich mit dem Handrücken unter der Nase entlang. „Es hat nichts mit dir zu tun.“
Alain zitterte vor Anstrengung, als er mit aufeinandergebissenen Zähnen seine Hand unter Beates Kinn legte und ihren Kopf leicht anhob. „ Was? Was hast du? … Bea, kleine Tochter … meines … Bruders?“
Sie zuckte bei der vertrauten, arglosen Berührung zusammen. Seine Hand fiel schlaff auf die Bettdecke zurück, als Beate ihren Kopf abrupt wegdrehte.
Oh nein, bloß kein Mitleid! Nicht von einem wie dir! Du machst dich doch höchstens über mich lustig! Woher auch solltest du echtes Mitgefühl kennen? Deine Stimme klingt so aufrichtig und tröstlich, dabei weiß jeder, welch verlogener Schuft und skrupelloser Frauenheld du bist. Auf diese Tour hast du sicher bereits Hunderte rumgekriegt. Aber bei mir zieht das nicht! Niemals! Sag nichts, sonst werde ich nie wieder aufhören zu heulen.
Nervös strich sie sich das Haar aus der Stirn und schoss von ihrem Stuhl in die Höhe. Sie flücht ete an das breite Fenster und schaute hinab in den gepflegten, weitläufigen Park der Klinik, wo sie sich vor drei Tagen an der Schulter der alten Schwester ausgeheult hatte. Wo sie seinetwegen wie ein Schlosshund geheult hatte! Was hatte dieser gemeine roué an sich, dass sie sich in seiner Gegenwart nicht zurückhalten und beherrschen konnte? Im Gegenteil, am liebsten hätte sie ihm von ihrem Heimweh und ihrer Sehnsucht nach den Freunden und dem Meer erzählt und sich von ihm trösten lassen. Denn dann würde er sie in seine Arme nehmen und sie könnte sich an seiner breiten Brust den Kummer von der Seele reden. Und für einen Moment der trügerischen Illusion verfallen, nicht allein zu sein, sondern einen Freund und Verständnis für ihre Probleme gefunden zu haben.
Geräuschvoll putzte sie sich die Nase und versuchte ihre wirren Gefühle zu ordnen. Dumme Trine! Alain war schwerkrank und hatte unter Garantie keine Nerven für ihre wehleidige Gemütsverfassung. Und sobald es ihm ein Ichtel besser ging, würde er sich bestimmt eine ganze Menge darauf einbilden, sie erneut in Tränen aufgelöst gesehen zu haben. Dabei hatte sie sich geschworen, diesem Kerl nie wieder die Gelegenheit zu bieten, sich über sie vor Lachen auszuschütten. Aber mit seinem samtweichen Blick aus diesen wissenden Augen wickelte er sie mühelos um den Finger. Wie konnte sie bloß darauf hereinfallen! Er hasste alles Deutsche. Und er war hier von hübschen Frauen umgeben, wie er ihr deutlich genug zu verstehen gegeben hatte. Reichte das nicht?!
Resolut wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht und murmelte: „Entschuldige, das war ausgesprochen dumm von mir. Manchmal kann ich …“ Sie winkte ab, als lohne es nicht darüber zu reden. „Es geht schon wieder. Manche Erinnerungen tun einfach etwas länger weh. Kümmere dich nicht darum.“
Alain wusste ihre Äu ßerung nicht zu deuten, wagte indes nicht, weiter in sie zu
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