Toedliche Luegen
Herrschaften erfragen konnte. Vorausgesetzt natürlich, irgendeiner erinnerte sich an sie, an das schwarze Schaf der ehrenwerten Familie Schenke. Gemächlich schlenderte sie die breite Treppe hinab ins Erdgeschoss zu Pierres Arbeitszimmer. Sie rechnete mit einem kurzen Telefonat, da ihr Vater anderenfalls ohne Frage die Tür hinter sich geschlossen hätte.
„Davon war keine Rede! … Nein, verdammt noch mal! Fünfzigtausend Dollar waren ausgemacht!“, hörte sie ihren Vater aufgebracht schreien.
Wow! Ihre Lauscherchen richteten sich auf. Fünfzigtausend-Dollar-Geschäfte wurden hier ganz nebenbei am Telefon abgeschlossen. Beate runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf mit den zur Abwechslung kastanienbraun getönten Haaren. Ganz schön heftig, wie er mit den Leuten umspringt! Ob er all seine Geschäfte auf diese Art abschließt?
Nicht dein Problem, altes Haus. Du kannst dich nicht über ihn beklagen und das ist das Einzige, was dich zu interessieren hat. Wahrscheinlich ist das der übliche Umgangston unter Geschäftsleuten. Und davon hast du nun wirklich keine Ahnung.
Es war verdächtig ruhig geworden in Pierres Büro, also wagte Beate, ihren Kopf durch den Türspalt zu stecken in der Hoffnung, ihr Vater möge das Telefonat beendet haben. Einmal mehr bewunderte sie seine elegante Gestalt, die sich in der Fensterfront spiegelte. Ruhig und scheinbar gelassen lauschte er dem Anrufer am anderen Ende der Leitung. Er blickte hinaus in den Garten und Beate bemerkte daher nicht, wie sich sein Gesicht vor Ärger zu einer hässlichen Fratze verzog und eine Ader an seiner Schläfe anschwoll.
„Hören Sie … Gut! J a, ist schon gut“, keuchte er. „Ich weiß selber, dass ich keine andere Wahl habe. Sie bestimmen selbstverständlich den Preis. … Ja, ja, ich habe verstanden. Wann also?“
Seine Faust donnerte gegen die Fensterscheibe. Beate zuckte erschrocken zusammen und wartete mit hoch gezogenen Schultern und angehaltenem Atem auf das Splittern des Glases, als ihr Vater noch eine Spur lauter brüllte: „Ich bin nicht schwerhörig! Vierzehn Uhr, Tornesch.“
Ohne einen Gruß knallte er den Hörer auf den Apparat und fluchte derart unflätig wie ein Gassenjunge vor sich hin, dass es Beate nicht gewundert hätte, wenn plötzlich sogar die Luft rot geworden wäre. Mit seinem Taschentuch wischte er sich den Schweiß aus dem erhitzten Gesicht. Fassungslos schüttelte er den Kopf und starrte aus dem Fenster.
Unglaublich! Das konnte einfach nicht wahr sein! Die unverschämte Forderung an ihn, die durchaus mit einer Erpressung gleichzusetzen war, wollte ihm nicht in den Kopf. Wie konnte dieser Emporkömmling es wagen, Gott zu spielen? Zur Hölle, er sollte diese Laus über die Klinge springen lassen! Wäre zwar Pech für den Bastard, doch noch entschied er, in welche Geschäfte zu investieren sich lohnte.
Geplagt von schlechtem Gewissen , ihren Vater bei augenscheinlich schwierigen Geschäften belauscht zu haben, klopfte Beate zaghaft an die Tür und machte sich mit dünnem Stimmchen bemerkbar: „Guten Morgen, Pierre. Die Tür zu deinem Büro stand offen und ich …“
Sie räusperte sich und fühlte ihre Handflächen feucht wer den. „Ich habe auf dich mit dem Frühstück gewartet“, beendete sie ihren Satz und wusste, dass ihre Worte an Peinlichkeit kaum zu überbieten waren.
Überrascht fuhr Pierre Germeaux herum. Obwohl er sich im Augenblick wirklich mit anderen Problemen herumzuschlagen hatte, berührte es ihn unangenehm, dass er sich vor seiner Tochter vollkommen inakzeptabel hatte gehen lassen. Er bemühte sich krampfhaft, eine lächelnde Maske über sein zorniges Gesicht zu schieben, während er gleichzeitig angestrengt überlegte, wie viel sie von dem Gespräch mitgehört haben mochte.
Nein, sie würde sich keinen Reim darauf machen können. Ganz sicher nicht. Er hatte die Dinge nicht beim Namen genannt. Beate hatte keine Ahnung, welcher Art dieser Deal war. Sie hatte ja nicht einmal Ahnung von seinen üblichen Geschäften.
„Ärger schon am frühen Morgen?“, erkundigte sie sich fürsorglich.
Verwirrt blickte er auf und betrachtete sie von Kopf bis Fuß, als würde er sie erst jetzt erkennen. Ohne einen Gruß oder auf ihre Frage einzugehen, erwiderte er lediglich: „Ich werde dich heute nicht in die Stadt begleiten können. Ein wichtiger Termin ist dazwischengekommen, den ich bedauerlicherweise keinem anderen überlassen kann.“
„Oh, ist schon in Ordnung. Du musst keine Rücksicht auf mich
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