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Toedliche Luegen

Toedliche Luegen

Titel: Toedliche Luegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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gewesen wäre. Ein Schauer lief ihr den Rücken hinab bei dieser Vorstellung.
    Und überhaupt machte es keinen Sinn, Vergangenem nachzutrauern! Nicht jeder konnte die perfekten Gene für ein wissenschaftliches Genie, ein musikalisches Wunderkind oder die geborene Hausfrau und Mutter haben. Mit dem heutigen Tag hatte sie allerdings die nächste Chance erhalten, etwas Brauchbares aus ihren Fehlern zu lernen. Was wollte sie also mehr?
    Ich muss mit dir über jemanden reden, Suse, dachte Beate und vor ihrem inneren Auge erstand das überwältigende Bild des Mannes, der sich über die Maßen von ihren bisherigen Bekannten abhob und den zu verstehen, sie einfach nicht in der Lage war.
    Ein en Anruf, bitte, melde dich bei mir! Ich habe so viel nachzuholen und brauche deinen Rat.
    Alain. Nach wie vor stellte er für sie ein Buch mit sieben Siegeln dar. Ein Fragezeichen in Menschengestalt. Die Inkarnation des Ge heimnisvollen. Ein Bild fleischgewordenen, männlichen Hochmuts. Unerklärlicherweise zog er sie trotz allem an – und stieß sie mit mindestens ebensolcher Kraft ab. Wann zuletzt hatte sie so widersprüchliche Gefühle für einen Mann empfunden?
    Bereits bei ihrer ersten Begegnung hatte sie sich eingestehen müssen, dass ihre Pläne für eine Zukunft in Paris einen großen Haken hatten. Und dass dieser Haken Alain hieß.
    Es war nicht so, dass er seit seiner Entlassung aus der Klinik noch einmal etwas gesagt oder gar getan hätte. Keineswegs. Er war einfach nur da. Er beobachtete sie, er studierte sie und bildete sich seine Meinung – die alles andere als gut zu sein schien, seiner mitleidigen Miene nach zu urteilen. Es war die Art, wie er sie betrachtete, die sie jedes Mal fuchsteufelswild machte: als wäre sie ein Straßenköter, der vorgab, einen Stammbaum zu besitzen.
    Nein, es lag nicht daran, was er tat. Er war ausgesprochen höflich, übertrieben zuvorkom mend – und damit schon wieder beleidigend. Und immer, wenn sich ihre Blicke trafen, jagte ihr die Verachtung in seinen Augen einen kalten Schauder über den Rücken.
    Ihn würde es herzlich wenig interessieren, ob sie den heiß ersehnten Job bekommen hatte oder nicht. Überdeutlich sah sie wieder seinen geringschätzig verzogenen Mund vor sich, als sie , Feuer und Flamme von ihrem Vorhaben, den beiden Männern von ihrer Bewerbung erzählt hatte. Alain hatte zwar nichts darauf erwidert, sein unbeteiligter Gesichtsausdruck und die im krassen Gegensatz dazu überaus lebhaften Augen indes hatten mehr als tausend Worte ausgedrückt. Er hatte ihre kindische Freude bloß belächelt.
    Eingebildeter Affe! Nicht jeder durfte solch ein Super-Hirn sein eigen nennen wie er. Wahrscheinlich konnte er sich nicht einmal vorstellen, dass es Menschen gab, die lediglich kleine Brötchen backen wollten und damit zufrieden und glücklich lebten. Selbstverständlich besaß er gerade so viel Anstand, nicht offen mit seiner hervorragenden Ausbildung zu prahlen, die er an den besten Schulen und Universitäten des Landes genossen hatte. Die kleinen, versteckten Spitzen, die er scheinbar zufällig in seine knapp bemessenen Sätze einfließen ließ und sein Opfer wie wohlgezielte Giftpfeile genau an den richtigen Stellen trafen, genügten dagegen vollauf, um ihr seine Überlegenheit zu demonstrieren.
    Nein, schwor sie sich feierlich, sie würde sich auf keinerlei Diskussionen mit ihm einlassen. Nicht ein einziges Wort würde sie in seiner Gegenwart über ihr Vorstellungsgespräch verlieren. Inzwischen hatte si e eingesehen, gegen ihn chancenlos zu sein. Woher nur kamen seine Arroganz und sein Selbstvertrauen, fragte sie sich nicht zum ersten Mal, und wie sehr wünschte sie sich, dass ein wenig davon auch auf sie abfärbte.
    Trink deinen Kaffee, Bea-Kindchen, und spar dir deine kostbaren Nerven. Nicht einmal in Gedanken lohnt sich ein Streit mit ihm. Du bist ihm nicht gewachsen. Niemals wirst du ihm das Wasser reichen können. Also ignoriere ihn. Geh ihm aus dem Weg. Deine Fähigkeit , bei Schwierigkeiten davonzulaufen, hast du sicher nicht verloren.
    Ein eigenartiges Klopfen schreckte sie aus ihren Gedanken. Sie wandte sich suchend um, bis ihr Blick auf das kleine Telefon neben ihrer Kaffeetasse fiel, welches dieses Geräusch von sich gegeben haben musste. Mit hochrotem Kopf, da sie sich der interessierten Blicke der anderen Gäste nur zu deutlich bewusst war, drückte sie wie wild auf den Tasten herum, bis das Klopfen schließlich aufhörte.
    „Ja , bitte?“, flüsterte sie.

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