Toedliche Offenbarung
Freundinnen.«
35
»Oh, der Herr Kommissar«, begrüßt Mittenwald Beckmann am Telefon. »Wo sind Sie denn abgeblieben? Man hört und sieht ja gar nichts mehr von Ihnen.«
»Ich bin jetzt beim LKA in Hannover.«
»Und was verschafft mir da die Ehre?«
»Henry Broderich.«
»Broderich?«
»Genau.«
»Seinetwegen rufen Sie mich am Samstagmittag an? Ich bin im Garten. Das Unkraut ruft – leider.«
»Broderich ist tot.«
Kurzes Schweigen. Mittenwald fühlt sich überrumpelt. Das passiert ihm nicht oft.
»Was hat das LKA mit Broderich zu tun, und was machen Sie da überhaupt?«
»Ich arbeite dort in Abteilung 4.«
»Muss ich wissen, was das ist?«
»Polizeilicher Staatsschutz.«
»Wen schützen Sie denn? Den Ministerpräsidenten?«
»Das tun andere. Ich arbeite im Dezernat 42, Zentralstelle für politisch motivierte Kriminalität .«
»Immer ein Auge auf die linken Aktivitäten. Das ist gut.«
»Nein, auf die Rechten.«
»Auch gut.« Mittenwald lacht. »Trotzdem verstehe ich nicht, was das mit Broderich und vor allem mit mir zu tun hat?
»Er …« Martha hat sich neben Beckmann aufgebaut und verlangt nach dem Telefonhörer. »Das erzähle ich lieber selber.«
»Frau Landeck.« Mittenwald ist überrascht. Dieser Kommissar aus Hannover und seine Journalistin. Erst war alles ganz dicke, dann Sendepause, und nun? Diese jungen Leute wissen einfach nicht, was sie wollen.
»Heute Morgen beim Golftraining …«, sie hält kurz inne, um sich die weiteren Worte zu überlegen, »hat Trixi einen Toten entdeckt. Henry Broderich.«
»Warum erfahre ich erst jetzt davon?« Mittenwalds Ton nimmt mit jedem Wort an Schärfe zu.
»Ich habe versucht, Sie zu erreichen, aber Sie sind nicht an den Apparat gegangen.«
»Und aus welchem Grund haben Sie es nicht ein zweites Mal probiert?«
»Weil … ich …« Ihr fällt kein Grund ein. Höchstens Max Beckmann. Der hat angerufen – und wollte sie treffen. Immerhin das erste Mal seit zehn Wochen. Genau genommen, seit 67 Tagen und genau so vielen Nächten. »Ich …«
Beckmann tippt der stotternden Martha auf die Schulter.
»Gib mir nochmal deinen Chef.«
Martha reicht ihm schweigend den Hörer, verwirrt über ihre eigenen Gedanken.
»Was wissen Sie über Henry Broderich?«
Mittenwald zögert für einen kurzen Moment. »Arbeiten wir zusammen?«
»Was sonst?«
»Und Sie erzählen mir auch, was Sie wissen?«
Beckmann schätzt den Chefredakteur der Lokalausgabe des Hannoverschen Anzeigers – mehr als ihm manchmal lieb ist. Und eins weiß er: Mittenwald hält Wort. Wenn der sagt: Alles bleibt unter uns, dann bleibt es dabei.
»Wir verfahren wie gewohnt.«
»Also gut.« Mittenwald räuspert sich. »Ich kenne Broderich aus den Zeiten, als er in Burgdorf das Volontariat gemacht hat. Er war jemand, der sich nicht damit begnügt hat, über Tatsachen zu berichten. Er wollte stets seine Meinung kundtun, wollte Macht ausspielen.« Mittenwald hält inne und wartet auf eine Frage. Als keine kommt, fährt er fort. »Broderich ist mit dieser Art der Berichterstattung bei uns nicht sonderlich gut angekommen. Bei einigen andern hatte er größeren Erfolg. Wie ich finde zu viel, aber das spielt für uns keine Rolle. Er konnte nie genug kriegen. Freier Journalist nannte er sich. Spezialist fürs Internet. Ein Arschloch war er. Mehr nicht.«
»Sie wissen bestens Bescheid«, muntert Beckmann ihn nach einer Schweigeminute auf.
»Diese Blogs, die er ins Leben gerufen hat, die sind das Allerletzte. Hetze, Demagogie, Manipulation – mit Journalismus hat das nichts zu tun. Hauptsache, es gibt viele Klicks. Je mehr, umso besser. Broderichs Seiten haben nur ein Ziel: Viele Seitenaufrufe. Gelingt ihm das, kann er Anzeigen verkaufen. Jeder Aufruf bringt ihm dann Geld. Das ist ein reines Rechenexempel – aber bitte fragen Sie mich nicht nach den genauen Zahlen, so gut kenne ich mich damit nicht aus. An den ersten Webseiten verdient er schon, so viel weiß ich jedenfalls mit Sicherheit«, schnauft Mittenwald.
»Vorsichtshalber hat Broderich sich von allen Orten in der Gegend die Namen reservieren lassen. Sie können also auf Celle-online , Hameln-online – und wie die ganzen Orte heißen – warten. Wir sind sein Experimentierfeld.«
»Gewesen.«
»Gewesen.« Mittenwald schickt ein bellendes Lachen hinterher. »Ob der Spuk mit seinem Tod wirklich vorbei ist?«
Mittenwald überlegt kurz, dann setzt er mit entschlossener Stimme hinterher: »Wir sollten uns treffen. Kommen Sie in
Weitere Kostenlose Bücher