Toedliche Offenbarung
ist nicht dein Fall. Und überhaupt, sind wir hier im Verhör?«
»Ich durchforste im Moment den ganzen Tag das Internet. Heute Morgen bin ich dort auf Henry Broderich gestoßen. Das passt. Ich hab da so ein Gefühl …«
34
Das geht nicht gut. Das hat er im Urin.
Jetzt ist Matusch schon seit einer halben Stunde bei den Neuen. Kevin kratzt sich aufgeregt in der Armbeuge. Das ist Scheiße. Matusch hat ihm gesagt, dass es hier echt cool ist und alle prima Kameraden seien. Echte Kerle, Deutsche, die wissen, wo’s lang geht.
Nervös kratzt er sich am Nacken. Wenn er aufgeregt ist oder sich Sorgen macht, juckt seine Schuppenflechte. Vor allem die hinten am Hals. Kevin hat Angst, aber das würde er nie zugeben. Das ist ein Fehler. Nie dem Gegner eine Schwäche zeigen. In der Kampfsportgruppe, in der er seit zwei Monaten trainiert, hat ihm Matusch das immer wieder eingebläut: Wir gehören zusammen, wir sind eine Gemeinschaft, eine Kameradschaft.
Jeder, der zur Gruppe gehört, trägt eine Rune eintätowiert auf den Unterarm. Der Eihwaz . Das ist ihr Geheimzeichen, ausgesucht von Matusch. Matusch ist mit seinen zwanzig Jahren zwar nur zwei Jahre älter als er selbst, aber im Unterschied zu ihm weiß er, wo’s langgeht. Hat es schon immer gewusst. Schon als sie gemeinsam Räuber und Gendarm im Treppenhaus spielten, in diesen Häusern, die später einfach abgerissen wurden.
Dort war er glücklich. Heile Welt mit Familie und allem, was dazu gehört. Überhaupt war damals alles besser. Keiner hat auf ihn heruntergesehen, keiner ihn gehänselt. Der ganze Scheiß hatte erst in Burgdorf angefangen.
Mit seinen kräftigen Fingern fährt sich Kevin über die Nase. Früher war die auch nicht so breit. Früher, das war vor der Schlägerei hinter dem Fußballstadion in Hannover, als diese Wichser aus Wolfsburg ihn und die anderen aus der Nordkurve provoziert hatten. Zum Glück hatte er genau an diesem Tag Matusch im Stadion getroffen. Sie hatten ein paar Bier getrunken und waren dann zusammen nach draußen gegangen, wo diese Kanaken schon warteten. Aber Matusch hat denen gezeigt, wie man antwortet, wenn man angemacht wird. Seine Faust bohrte sich regelrecht ins Gesicht des speckigen Anführers dieser Türkentruppe. Mann, hat der dem die Fresse poliert.
Kevins Zunge fährt über seinen Schneidezahn, dem seit diesem Tag die rechte Ecke fehlt.
Endlich hat Matusch den Neuen ihre Zimmer gezeigt und sie sind allein. Sofort legt Kevin los: »Was hast du mit Felix gemacht?«
Matusch grinst Kevin breit an und spuckt vor ihm auf den Boden.
»Über den brauchst du dir keine Gedanken zu machen.«
»Aber …« Kevin zaudert. Ein falsches Wort und er bekommt Matuschs Rechte zu spüren.
Matusch bemerkt Kevins Zurückhaltung. Kevin, der sonst voller Bewunderung für ihn ist, ihn geradezu verehrt, hat sich in den letzten Stunden abgekapselt, ist plötzlich wieder das Weichei, das er war, als er ihn vorm Stadion getroffen hat.
Elendes Weichei. Matuschs Lippen kräuseln sich unmerklich bei diesen Gedanken. Manchen ist eben nicht zu helfen. Es gibt Siegertypen – und Verlierertypen. Einige begreifen nicht einmal, dass man es selbst in der Hand hat, zu welcher Seite man gehört. Dieser Felix zum Beispiel, das ist doch einer, dem sie immer alles hinterher getragen haben. Matusch kennt diese Sorte von Leuten. Kaum gehen die in den Kindergarten, buchen die das Abitur, Bausparvertrag inklusive. Für die geht es immer nur aufwärts.
»Um solche Idioten wie diesen Felix solltest du dich nicht kümmern«, platzt es aus Matusch heraus. »Höchstens um ihnen eins in die Fresse zu schlagen. Der hat hier rumgeschnüffelt. Warum wohl? Bestimmt nicht, um Fotos fürs Klassentreffen zu schießen.« Matusch drückt mit der Handfläche freundschaftlich auf Kevins Schulterblatt.
»Solche wie der wollen uns alles wegnehmen. Weil sie uns keinen Platz in ihrer Welt lassen. Diese Bonzen und ihre Kinder möchten alles für sich – und für uns bleibt nichts.« Er drückt noch einmal Kevins Schulter. Ein Lächeln umspielt Matuschs Mundwinkel. »Versteh das doch. Das sind nicht unsere Freunde. Die sind gegen uns. Die reden von Multikulti, haben aber nie erlebt, wie das ist, wenn um dich herum nur noch Kanaken sind. In ihren feinen Wohnvierteln tauchen Türken, Nigger und Konsorten allenfalls als Gärtner oder Putzfrauen auf. Aber uns pöbeln diese Typen auf der Straße an, uns nehmen sie Lehrstellen und Arbeit weg und vor allem die
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