Toedliche Offenbarung
möchte sein Auskommen und seine Ruhe.
Misstrauisch beäugt Borgfeld einen Mann, der die Teilnehmer der Mahnwache fotografiert. Ist das ein Spitzel der »Aufrechten Deutschen« oder wird er langsam paranoid? Ali macht doch auch die ganze Zeit Fotos.
Als sich wie auf ein geheimes Kommando die fünf mit der 88 umdrehen und zu den wehenden Reichskriegsflaggen zurück marschieren, fängt Sonja an zu klatschen. Andere fallen in das rhythmische Schlagen ein.
Dann erneute Rufe: »Nazis raus. Nazis raus.«
Die pensionierte Lehrerin fällt in den Sprechchor ein. Ein langhaariger junger Mann greift zur Trommel und feuert alle an.
»Nazis raus.« Der Ruf wird immer eindringlicher und lauter.
Die Vermummten stiefeln mit ruhigen Schritten zurück. Nur der mit der Tätowierung auf dem Unterarm dreht sich um und zeigt der schreienden Menschenmenge den Stinkefinger.
33
»Können wir jetzt reden?« Mit diesen Worten zieht Martha Beckmann zur Seite. Im ersten Moment hofft er, dass sie ihm etwas Persönliches sagen will. Doch kaum stehen sie nebeneinander, beginnt sie, ihm ihre Entdeckungen aus der Interviewsammlung aufzulisten.
»Die Jagd der Celler Bürger auf die fliehenden KZ-Flüchtlinge ist historisch belegt. Aber niemand wurde damals zur Verantwortung gezogen, keiner hat Namen von Tätern genannt, dabei …
»Martha …«
»Doch das stimmt. Das kannst du mir wirklich glauben. Ich habe …«
»Vielleicht steckt da sogar noch mehr hinter.« Beckmann tritt dichter an sie heran.
»Max, was weißt du eigentlich über diese Stiftung Golter?«, wechselt Marta das Thema.
Beckmann wirft ihr einen überraschten Blick zu.
»Wie kommst du denn jetzt auf die?«
»Die Stiftung soll das Gelände hier gekauft haben.«
»Stimmt. Aber viel ist über den nicht bekannt, auch wenn unser Kollege vom Verfassungsschutz mir vorhin ein bisschen auf die Sprünge geholfen hat.«
»Schieß los.«
Beckmann lacht und seine Fältchen bilden einen Kranz um seine grünen Augen, die spitzbübisch leuchten. Das ist die Martha, die er kennt. Taumelt von einer Bredouille in die nächste und bleibt unerschrocken neugierig.
»Kennst du die Lastwagen mit dem G auf den blauen Planen?«
Martha hat auf der Autobahn schon häufiger solche Lastwagengespanne überholt, sich aber nie gefragt, was sie bedeuten.
»Und für was steht das G ?«, fragt sie, obwohl sie sich die Antwort fast denken kann. »Für Golter?«
»Genau. Das G ist das Logo einer Spedition, die im Laufe von Jahrzehnten aufgebaut wurde. Der Besitzer kommt aus kleinen Verhältnissen, er hat seine ganze Kraft in das Transportunternehmen gesteckt. Er gilt als pressescheu, es gibt kaum Fotos von ihm. Er hält sich immer im Hintergrund und aus den Schlagzeilen heraus. Bei den üblichen Treffen der Reichen und Schönen war er nie dabei. Nicht mal in der VIP Loge von Hannover 96 oder den Scorpions hat man ihn je gesehen.« Beckmann legt die Stirn in Falten. »Vor ein paar Jahren hat er alles für eine mehrstellige Millionensumme verkauft, die Spedition läuft aber noch weiter unter dem Namen. Der Verkaufserlös floss in die Stiftung Golter. Wörstein ist der Vorsitzende der Stiftung.« Beckmann zögert. »Angeblich war die Gründung der »Aufrechten Deutschen« nur mit dem Geld der Stiftung Golter möglich.«
»Aber was hat das mit dem Tagebuch zu tun?«
»Ich weiß es auch noch nicht. Die Spedition kommt zumindest aus Celle.«
Celle. Immer wieder Celle. In Marthas Kopf drehen sich die Gedanken.
»Man eröffnete damals den Prozess gegen eine Handvoll Leute, davon sprach man die meisten frei. Das ist alles im Internet nachzulesen. Vielleicht hätte man den Prozess mit Marthas Informationen neu aufrollen können. Mir sind zwei Namen aufgefallen. Bollund und Müller.«
Beckmann lächelt Martha an, während sie weiterredet. Sie gibt nie auf. Auch das gefällt ihm an ihr.
»… über den Flakstützpunkt erfährt man im Tagebuch so gut wie nichts. Herbert Müller war an jenem Tag dort. Das steht fest. Vielleicht hat er etwas mit Claras Verschwinden zu tun, möglicherweise zusammen mit diesem Bollund. Der altgediente Polizist hat ihm später einen Ausbildungsplatz bei der Polizei besorgt.«
Beckmann hat sich bei Marthas letzten Worten umgedreht. Er fühlt sich beobachtet. Und richtig, der mit der Nickelbrille rechts neben Martha, scheint sie nicht aus den Augen zu lassen. Mit seiner spitzen Nase und dem kleinen Mund erinnert er ihn an ein Frettchen.
»Kann ich Ihnen helfen?«, zischt
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