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Toedliche Offenbarung

Titel: Toedliche Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Kuhnert
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ihr. In seinen Händen hält er Rucksack und Fahrradhelm.
    Der Raum ist nicht groß, aber zumindest passen außer ihrem Schreibtisch noch ein kleiner Beistelltisch und ein Besucherstuhl hinein. Martha nimmt einen Zeitungsstapel vom Stuhl und bietet ihn ihrem Besucher an, während sie ihren eigenen Schreibtischstuhl heranrollt.
    »Schön, dass Sie heute noch Zeit hatten, Herr Zander.«
    »Kein Problem, ich wohne in Heeßel, dass ist nun wirklich kein Weg mit dem Rad. Einmal unter der Bahnunterführung durch, und schon ist man da.« Durch die Brillengläser mustert Peter Zander sie mit freundlich blitzenden Augen und blickt unschlüssig seinen Fahrradhelm an.
    »Legen Sie ihn doch hier aufs Regal.« Martha deutet nach rechts. Männer mit Fahrradhelmen haben etwas Lächerliches, besonders wenn sie auf einem Hollandrad sitzen.
    » Muss man eigentlich einen Fahrradhelm tragen?«
    »Es gibt keine gesetzliche Verpflichtung, wenn Sie das meinen. Aber immer wieder verunglücken Kinder im Straßenverkehr. Auch an unserer Schule gab es da einen bedauerlichen Unfall mit schweren Hirnschädigungen. Als Lehrer ist man immer und jederzeit Vorbild. Deshalb trage ich den Helm. Auch wenn ich damit albern aussehe.«
    Stolz und Vorurteil. Es wird Zeit, dass sie das Buch endlich einmal liest.
    »Und was bringen Sie Interessantes mit?«
    Er klopft auf das Paket, das er aus dem Rucksack fischt.
    »Jede Menge Fotos. Herbert Müller wohnte als junger Mann bei uns in der Nachbarschaft. Er in der Denickestraße und mein Vater in der Riemannstraße.«
    Der näselnde Klang der Stimme passt nicht zu der drahtigen Erscheinung des Mannes. Das irritiert Martha, genau wie sein Mund. Trotzdem wirkt Peter Zander nicht unsympathisch, vielleicht ein bisschen zu eifrig. Martha lächelt ihm zu und schimpft mit sich selbst. Immer hat sie etwas auszusetzen an anderen Leuten. Dann ist er eben eifrig. Wenn er das nicht wäre, wäre er auch nicht hier.
    »Und wie war Herbert Müller so in seiner Jugend?«
    Zander lehnt sich in dem unbequemen Besucherstuhl zurück und legt das Fotoalbum auf den kleinen Tisch.
    »Vater hat nie von früher erzählt, obwohl ich oft gefragt habe. Wenn sein Name nicht unter dem einen oder anderen Bild stehen würde, hätte ich gar nicht gewusst, wie der Junge heißt.
    »Wissen Sie denn, ob Herbert Müller noch lebt?«
    Peter Zander zuckt mit den Schultern.
    »Bevor ich geboren wurde, sind meine Eltern nach Lehrte gezogen. Mein Vater hat bei der Bahn gearbeitet, den interessierte nur die Arbeit und sein Kleingarten. Als ich nach seiner Jugend gefragt habe, hat er immer abgewunken. Nur einmal hat er mir etwas erzählt. Da ging es um diesen Müller. Müller war von klein auf einer der Wortführer, einer, mit dem man es sich nicht verderben durfte. Sie waren zusammen in der Hitlerjugend. Da muss der Müller ihm einmal übel mitgespielt haben.«
    »War Ihr Vater auch im Bannausbildungslager?«
    Peter Zander zuckt wieder mit den Schultern.
    »Nicht, dass ich wüsste.«
    Peter Zander schlägt das Fotoalbum auf, überblättert die ersten Seiten mit der Hochzeit seiner Eltern, den ersten Kinderfotos von sich selbst, seiner Einschulung. Plötzlich schlägt er die Seite aus schwarzem Tonpapier noch einmal zurück.
    »Hier«, er zeigt auf eine Gruppe von Jungen in kurzen Hosen und Kniestrümpfen. Daneben steht die Jahreszahl 1943. »Da ist mein Vater mit Herbert Müller. Sehen Sie, da steht sein Name. Meine Großmutter hat dort alles fein säuberlich notiert.«
    Martha zieht das Album dichter zu sich heran und betrachtet das Foto eingehend. Emil Zander steht neben Herbert Müller. Er ist einen Kopf kleiner als der andere und sieht ehrfurchtsvoll zu ihm hinauf, als ob er in dem Gesicht des anderen lesen wollte. Vielleicht mustert er aber auch nur den dunklen Fleck auf Müllers Wange. Der Blutschwamm ist riesig. Selbst das Feuermal auf Gorbatschows Kopf ist kleiner. Sie beugt sich über das Album und betrachtet das Gesicht Müllers noch genauer. Der Blutschwamm sitzt mitten auf Müllers rechter Wange, er ist handgroß und hat tatsächlich die Form von Afrika. Marthas Herz schlägt heftig und sie fühlt es bis zum Hals. Sie liegt mit ihren Vermutungen richtig. Es gibt keinen Zweifel. Müller ist der Junge von der Flakstation, der Junge, der mit glänzenden Augen geschossen hat.
    Ihre Hände zittern vor Aufregung. Am liebsten würde sie Zander um den Hals fallen, liebt sein eifriges Gehabe geradezu.
    »Wissen Sie etwas über eine Clara Rosenthal?«,

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