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Toedliche Offenbarung

Titel: Toedliche Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Kuhnert
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»Kann der auch hier rein?«
    »Natürlich«, ist die prompte Antwort Goldmanns. »Im Grunde genommen kann eigentlich fast jeder hier rein, der dem Vorstand in irgendeiner Form verpflichtet ist.«
     

30
     
    »Ich habe gesagt, dass ich keine Zeugen möchte – und gestern steht die Polizei hier vor der Tür.«
    Nachdenklich geht Wörstein im Zimmer auf und ab. Seine Hände hat er tief in den Hosentaschen vergraben, sein Gesichtsausdruck ist mehr als mürrisch, als er auf die jaulende Diele vor der Tür tritt. Wütend stampft er noch ein zweites Mal darauf, als wenn er Freude hätte, den Klagelaut zu hören.
    »Ihr müsst eine Zeitlang verschwinden. Kamerad Morell aus Schweden wird sich um euch kümmern und euch auch Quartier geben, bis Gras über die Angelegenheit gewachsen ist. Er verwaltet einen Gutshof in der Nähe von Göteborg, der mir gehört.«
    Matusch nickt ergeben, doch Kevin fühlt sich zusehends unwohl in seiner Haut. Er will nirgendwohin fahren. Schon gar nicht mit Matusch. Wer weiß, wo er da wieder hineingerät?
    Seine Stelle im Nacken fängt an zu jucken. Kevin schiebt die Hand zum Hals, als wenn er sich über die Haare streichen will und kratzt sich möglichst unauffällig. Er weiß, dass Wörstein das nicht leiden kann, aber er kann nicht anders. Mitten in der Bewegung hält er inne. Wörstein hier und Wörstein da. Die ganze Zeit geht das so. Warum lässt er sich das eigentlich gefallen? Warum macht er nicht endlich einmal das, was er für richtig hält? Plötzlich begreift Kevin, was er zu tun hat. Er muss reinen Tisch machen, bevor er sich immer weiter in diese Sache verstrickt – und reden. Jetzt oder nie. Ein beklemmendes Gefühl legt sich auf seine Brust. Er atmet zur Beruhigung tief ein und aus. Dann nimmt er seinen ganzen Mut zusammen.
    »Ich will eigentlich nicht weg.« Die Worte bröckeln in Zeitlupe aus seinem Mund, als wenn sie sich nicht trauen, aus dem Kohlenkeller ans Tageslicht zu kommen.
    Wörsteins Gesichtszüge versteinern, die Nase wirkt noch spitzer, die Augen noch kälter.
    »Wie bitte?«, zischt er. »Habe ich eben richtig gehört?«
    Kevins schorfige Stellen am Nacken und in der Armbeuge jucken plötzlich unerträglich. Seine Hand wandert zum Nacken und seine Finger kratzen hemmungslos. Hautschuppen verteilen sich rasend schnell auf Kevins Schultern und segeln langsam auf den Dielenboden.
    Wörstein sieht angewidert zu. Was bildet sich dieser kleine Wicht ein? Funken sprühen aus Wörsteins stahlblauen Augen. Kaum sichtbar für den Beobachter hebt und senkt sich seine Oberlippe bei jedem seiner Gedanken um ein paar Millimeter. Er, Freiherr zu Wörstein, hat diesen Jungen aus der Gosse geholt und ihm eine Perspektive gegeben – und jetzt zweifelt dieser Wurm seine Entscheidung an. Wörsteins Lippen zucken stärker. Er bemüht sich um einen ruhigen Tonfall, obwohl er lieber schreien würde.
    »Überleg es dir noch einmal, Karl.«
    Ein Ruck läuft durch Kevins Körper, als Wörstein ihm den zugewiesenen Namen entgegengeschleudert. Kevin ist kein deutscher Name, hatte Wörstein ihm am ersten Tag gesagt. Ab jetzt heißt du Karl. Und was hatte er erwidert? Nichts. Er war von Stund an einfach nicht mehr Kevin gewesen, sondern Karl.
    Karl, wer ist das?, möchte er jetzt entgegnen, aber so viel Mut hat er nicht. Karl, scheiß auf Karl!, feuert er sich in Gedanken an. Er ist Kevin. Kevin Fischer. Er spannt seinen Körper, der sich für ihn plötzlich wieder nach Kevin anfühlt.
    Trotzdem macht sich ein plötzliches Zaudern in ihm breit. Vielleicht ist es ein Fehler gewesen, überhaupt etwas zu sagen. Vielleicht hätte er sich einfach heimlich aus dem Staub machen sollen.
    Wörsteins Gesichtszüge versteinern und sein Blick liegt unterhalb der Frostgrenze. »Du kannst jetzt gehen.«
    Als Kevin vor der Tür steht, setzt sich auch Matusch in Bewegung, doch Wörstein winkt ihn zu sich heran.
    »Du bleibst. Ich muss noch mit dir reden.«
     

31
     
    »Goldmann war’s«, raunt Streuwald Beckmann beim Einsteigen ins Auto zu. Für ihn ist die Sache eindeutig: Broderich sitzt im Zimmer von Goldmann und fordert Geld. Mehr Geld. Es kommt zum Streit. Goldmann würgt Broderich, der bricht tot zusammen. Goldmann nimmt anschließend in einer spontanen Eingebung den Ball vom Wandbord und stopft ihn Broderich in den Mund.
    Beckmann hat Oldhorst schon längst hinter sich gelassen und fährt im Schritttempo hinter einem alten Traktor her, der links nach Thönse abbiegen will, als Streuwald mit

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