Toedliche Offenbarung
seinen Ausführungen zum Ende kommt.
»Wahrscheinlich hat er doch mehr als diese zwanzigtausend Euro gewollt, und da ist der Präsident ausgeflippt.«
Beckmann nimmt Streuwalds Gedankenkette zweifelnd zur Kenntnis. Als er auf die B3 einfädelt, hat er sie jedoch endgültig verworfen. Wenn Goldmann tatsächlich der Täter wäre, hätte er niemals diesen Golfball des Clubs benutzt. Er wusste schließlich nur zu gut von dem Fehldruck und der geringen Stückzahl. Das ist viel zu augenfällig. Eher lenkt jemand ganz bewusst die Schuld auf Goldmann. Aber wenn das so ist, grübelt Beckmann weiter, wie ist der Mörder dann an den Ball gekommen? Er zögert. Aber nur kurz.
Jemand hat den Ball aus dem Regal genommen. Das grenzt den Kreis ein. Viele haben Zutritt zu dem Raum. Selbst Broderich war drin. Aber ist der, der den Golfball mitgenommen hat, auch der Täter?
Beckmann chauffiert seinen alten Volvo konzentriert über die doppelspurige Bundesstraße nach Celle, quert die Kreuzung, an der es links nach Ehlershausen geht, als sich in Höhe von Großmoor Rischmüller per Funk meldet. Ohne abzuwarten, legt er sofort los.
»Broderich war in extremen Geldnöten. Er hatte jede Menge Schulden. Alle Konten sind überzogen, mit der Rückzahlung von Krediten ist er im Verzug. Kein Wunder, dass er keine Gelegenheit ausließ, um Geld aufzutreiben. Seine letzten Recherchen betrafen eine Stiftung. Stiftung Golter.«
»Alle Achtung«, murmelt Beckmann. Sonst dauert es ewig, bis man die Konten offiziell einsehen kann. Die Ampel vor ihm schaltet auf Rot und Beckmann bremst ab.
»Frank, woher weißt du das eigentlich mit den Konten?«
Beckmann starrt auf das vor ihm stehende Fahrzeug, einen alten Ford, dessen rechtes Bremslicht nicht funktioniert.
»Das möchtest du gar nicht wissen.«
Als Beckmann und Streuwald in der Riemannstraße ankommen, parken dort fünf weitere Polizeifahrzeuge. Eine große Menschentraube hat sich auf dem Fußweg vor dem Haus gebildet, die wenigsten davon Interessenten für die annoncierte Haushaltsauflösung.
Beckmann entdeckt Martha vor dem Jägerzaun. Sie sieht blass und abgespannt aus. Beckmann eilt auf sie zu. Direkt vor ihr bleibt er stehen. Was soll er machen? Ihr mit der Hand durch die Haare fahren, sie an sich drücken und den Duft ihrer Haut einatmen? Am besten alles auf einmal.
»Alles in Ordnung?«, murmelt er unbeholfen und rührt sich nicht von der Stelle, seine Arme scheinen festzukleben.
Martha blinzelt ihm müde zu. »Wie soll es mir gehen?«
Beckmann tritt noch dichter an sie heran. Ob sie jetzt eine Berührung duldet? Vorsichtig legt er seine Fingerspitzen auf ihren Unterarm. Martha zuckt zusammen. Ist er mit dieser klitzekleinen Berührung schon einen Schritt zu weit gegangen?
»Max, ich muss mit dir reden.«
Er reibt verunsichert seine Fingerspitzen gegeneinander.
»Ja …« Wollte sie ihn wirklich für immer loswerden?
»Mir ist etwas aufgefallen.« Sie klopft auf ihre Tasche. »Je länger ich darüber nachdenke, desto eher glaube ich, dass Julius Trott wegen dieser Aufzeichnungen sterben musste.«
32
Von der Straße aus kann man das ehemalige Landschulheim kaum sehen, nur die im seichten Sommerwind flatternden Reichsflaggen stechen ins Auge. Etwa fünfzig Menschen haben sich an der Zufahrtsstraße zum Landschulheim versammelt. Es ist ein bunter Haufen junger und alter Bürger aus den benachbarten Ortschaften. Einige sind aus Celle angereist, andere aus Hannover. Borgfeld ist seit halb drei mit seiner Tochter vor Ort.
Mittlerweile parken Fahrzeuge links und rechts der Straße, Fahrräder lehnen an Bäumen und immer noch treffen Neuankömmlinge ein, die meisten sind zu zweit oder in kleinen Gruppen. Viele kennen sich, manche begrüßen sich mit Küssen, andere schütteln einander die Hand. Eine blasse Frau um die sechzig im langen dünnen Sommerkleid mit einem grauen Dutt im Nacken dirigiert die Teilnehmer der Mahnwache wortgewaltig zum Waldrand, wo sie sich in Dreierreihen hintereinander aufstellen.
»Keine Lücken lassen – und an den Händen anfassen.« Die Frau winkt einen Mann mit dem Transparent »Bunt statt Braun« zu sich heran. »Du da, komm hierher, das macht sich gut, wenn Autos vorbeifahren. Dann wissen die gleich, worum es geht.«
Borgfelds Sohn hält das Schild »Nazis raus« hoch. Die Frau mit dem Dutt winkt auch ihn zu sich heran, doch Ali stellt sich rechts an den Rand, ohne das Kommando seiner pensionierten Grundschullehrerin zu beachten. Er
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