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Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition)

Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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Gasgestank weniger stark war, sodass man atmen konnte. Keuchend riss sie die Haustür auf und trat hinaus auf die Stufen. Die kühle Nachtluft war labend wie Wasser, wenn man Durst hatte. Der sanfte Wind umstrich sie; wenn er durch die Haustür hineinfuhr, sagte sie sich, und durch das Küchenfenster wieder hinaus, würde das Gas bald aus der Küche entwichen sein. Sie holte noch einmal tief Luft und wollte schon in die Küche zurückgehen, als sie Schritte die stille Straße entlangkommen und jemanden leise vor sich hin singen hörte. Es war Ted. Sie erkannte ihn im Licht der Straßenlaterne, flott wie immer in dem taillierten Mantel und die Melone wie üblich leicht schräg auf dem Kopf.
    »Ted!«, rief sie. »Oh, Ted!«
    Überrascht vom Klang ihrer Stimme fuhr er zusammen und eilte den kleinen Weg entlang.
    »Was ist los?«, fragte er.
    »Dot ... in der Küche ...«
    Er drängte sich an ihr vorbei, doch an der Türschwelle zur Küche blieb er abrupt stehen.
    »Ist sie tot?«, fragte er.
    »Ich weiß nicht. Ich hatte keine Zeit, nachzusehen ...«
    Mittlerweile hing nur noch ein schwacher Gasgeruch im Raum. Plötzlich schlug ein stärkerer Windstoß die Haustür zu und ließ das kleine Haus erzittern. Ted trat einen Schritt vor, machte aber gleich wieder kehrt.
    »Keiner darf sie anfassen«, sagte er. »Los, hol Hilfe. Geh nach nebenan. Die haben ein Telefon.«
    Bis zu diesem Augenblick hatte Marjorie klar und schnell denken können, doch die folgenden Ereignisse dieser Nacht wurden immer unwirklicher und albtraumhafter; und später erinnerte Marjorie sich nur noch an eine Reihe von Bildern, die zwar lebendig, aber irgendwie verschwommen waren. Das Bild von Mrs Taylor von nebenan, im Nachthemd und das Haar zu zwei Zöpfen geflochten, die verwundert den Kopf zur Haustür herausstreckte, nachdem Marjorie den Türklopfer zwei-, dreimal laut betätigt hatte. Mr Taylor trug einen braun gestreiften Flanellpyjama; und Marjorie konnte einen Riss unter seiner Achsel erkennen, als er die Nummer der Polizei wählte. Das Bild von Dots Gesicht, das seltsam rosarot war, als man sie mit herabhängendem Kopf vom Boden aufhob. Es lag nicht daran, dass ihre Wangen geschminkt waren, denn Marjorie wusste, dass Dot nur Puder benutzte. Man konnte gar nicht glauben, dass sie tot war; nur ihre Haut war so abstoßend kalt gewesen, dass man sie kaum berührenmochte. Unterdessen waren ein Sergeant und ein Constable eingetroffen.
    »Sehen Tote immer so aus?«, flüsterte Marjorie – sie hatte bisher noch nie einen Toten gesehen.
    »Meistens, jedenfalls, wenn sie Gas benutzt haben, Madam«, sagte der Sergeant. »So etwas habe ich schon oft gesehen.«
    Der Constable stellte alle möglichen Fragen nach Briefen. Marjorie wusste von keinem, und schließlich ließ sie den Constable herumschnüffeln und selbst danach suchen.
    Jetzt war ein Arzt in einem schwarzen Mantel da und stellte Ted einige kurze kalte Fragen, die dieser schroff, aber aufrichtig und präzise beantwortete. In diesem Augenblick bewunderte sie Ted dafür, dass er sich nicht erschüttern ließ und einen so kühlen Kopf bewahrte. Sie hätte diese Fragen nicht beantworten können – eine hatte der Arzt tatsächlich auch an sie gerichtet, doch sie hatte nicht einmal gehört, was er sagte, obwohl sie gesehen hatte, wie seine Lippen sich bewegten. Mutter war mittlerweile auch da, in ihrem schwarzen Mantel und dem Hut, adrett, forsch und gepflegt wie immer, und mit den flinken Bewegungen, die völlig natürlich waren für eine so kleine Person wie sie. Auch sie bewahrte einen kühlen Kopf und schien sich vom Selbstmord ihres Lieblingskindes nicht erschüttern zu lassen, oder zumindest glaubte Marjorie das, bis sie sah, dass Mutter Tränen über die Wangen liefen und noch mehr Tränen ihre grauen Augen füllten.
    Und dann waren die Leute plötzlich alle weg, und sie war wieder allein mit Ted, nachdem eine Unmenge in schwarze Notizbücher geschrieben worden war. Die Kinder schliefen immer noch tief und fest, so wie sie über den ganzen Lärm und das Treiben im unteren Stockwerk hinweg geschlafenhatten – auf Vorschlag des Sergeants war sie vorhin schon einmal hinaufgegangen und hatte sich in beide Zimmer geschlichen, wo jedes Kind ruhig dagelegen hatte und dank der geschlossenen Türen und weit geöffneten Fenster kein Gasgeruch wahrzunehmen war. Marjorie lauschte noch einmal an beiden Türen, ganz automatisch, so wie sie es immer tat, ehe sie zu Bett ging, während Ted unten die Lampen

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