Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition)

Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
Vom Netzwerk:
ausmachte und die Hintertür abschloss.
    Sie hatte das Kleid ausgezogen und löste eben vor dem Spiegel stehend ihr Haar, als Ted hereinkam. Und in diesem Augenblick erst begriff sie es wirklich und wahrhaftig, und es drang mit voller Wucht in ihr Bewusstsein, dass Dot tot war, dass sie sich umgebracht hatte und dass sie sie nie mehr wiedersehen würde, während sie beide hier einfach gleichgültig zu Bett gingen, so, als wäre gar nichts geschehen. Sie wandte sich vom Spiegel ab und sah ihren Mann an.
    »Oh Ted!«, rief sie. »Ted, ist das nicht fürchterlich?«
    Marjorie trat auf ihn zu, legte ihm die Hände auf die Schultern und drückte ihre Wange an seine Brust. Ihr ganzer Körper bebte von einem heftigen Schluchzen, und sie begann hemmungslos zu weinen, die ersten Tränen, die sie an diesem Abend überhaupt vergoss.
    »Nimm’s dir nicht so zu Herzen, altes Mädchen«, sagte Ted. Er tätschelte ihr zuerst die Schulter, und dann ließ er seine Hand weiter den Rücken hinunterwandern, bis zu ihrem Gesäß. In all den neun Jahren ihrer Ehe und auch zuvor schon hatte Ted sie immer dort getätschelt; es war eine Geste der Zuneigung, und sie hätte vermutlich etwas vermisst, wenn er es unterlassen hätte. Mittlerweile war es ihr gleichgültig, heute Abend jedoch, da Dot tot war und in der Leichenhalle der Polizei lag, überkam sie auf einmal der Wunsch, dass er es nicht tun möge. Doch auch wenn ihre Liebe für ihnschon lange erloschen war, auch wenn es Zeiten gegeben hatte, in denen sie ihn gehasst, gefürchtet oder gar verachtet hatte, und auch wenn er ihr inzwischen so gleichgültig war wie der Türklopfer oder ihre Nachthemdschublade, war er in diesem Augenblick doch der einzige Gefährte, an den sie sich in ihrem Leid wenden konnte. Und so klammerte sie sich an ihn und hielt sich, immer noch vor Schluchzen bebend, am Revers seiner Jacke fest.
    »Keine Bange, Süße«, sagte Ted. »Süße« war eins der vulgären Kosewörter, die er benutzte, wenn er zärtliche Anwandlungen bekam. Er legte ihr die Hand unters Kinn, hob ihr Gesicht an und küsste sie mit wulstigen, halb geöffneten Lippen auf den Mund. Sein Atem roch nach Alkohol – daran war sie gewöhnt. Doch als sie seine Hände auf ihrem Körper spürte, begriff sie mit kaltem Grausen, dass Ted heute Abend »lästig« zu werden gedachte – das war ihr heimliches Wort dafür –, ausgerechnet heute Abend, an dem Abend, an dem Dot sich unten in der Küche in ihrem Kummer eben erst umgebracht hatte. Sie sah zu ihm auf. Das ganze hektische Treiben der letzten Stunde hatte ihn offenbar erregt, so wie hektisches Treiben es oft tat. Seine Augen leuchteten, und ein unwillkürliches Zucken fuhr ihm über die Stirn – ein untrügliches Zeichen, das sie mittlerweile schon seit fast zehn Jahren kannte.
    »Küss mich, Süße«, sagte er, und sie schloss die Augen und küsste ihn. Das gab weniger Ärger, als sich zu verweigern – ein-, zweimal hatte sie sich ihm verweigert, sowohl mit als auch ohne vernünftige Ausrede, und jedes Mal hatte es zu einer unschönen Szene geführt und zu einem schlecht gelaunten Grobian von einem Ehemann, der sie am nächsten Tag so lange finster angestarrt hatte, bis sie sich ihm hingegeben hatte. Seine Hände erforschten ihren Körper, seine Zungeihre Lippen. Er presste sich an sie, erhitzt und erregt; es war mehr als nur sexuelle Erregung. In einem hellsichtigen Augenblick erkannte sie, dass es die Ereignisse des Abends waren, die ihn derart stimuliert hatten, und dass er Linderung nur finden würde, wenn er sie besitzen konnte. So, wie manche Männer ihre sexuellen Bedürfnisse zu etwas Erhabenerem und Noblerem wandelten, so mündete bei Ted im Gegensatz dazu alles ihn Anregende in Sex. Er würde sich unter keinen Umständen abweisen lassen. Ein Gefühl des Kummers übermannte sie, aber zumindest war es ein Kummer, der ihr ein Handeln abverlangte, und nicht jener schwarze passive Kummer, den sie empfunden hatte, als sie sich vom Spiegel zu Ted umwandte.
    »Beeil dich, altes Mädchen«, sagte Ted. Anstatt sie weiter zu betatschen und sie an sich zu pressen, stieß er sie nun leicht von sich, und sie drehte sich fügsam um und ging ins Badezimmer. Sie ekelte sich zum Glück nicht vor den Verhütungsmethoden, sondern wandte sie mit kaltem Pragmatismus an. Peinlich genau kümmerte sie sich darum, denn sie hatte bereits zwei Kinder und wollte nicht noch einmal schwanger werden. Ted wartete bereits nackt auf sie, als sie zurückkam. Sie hatte

Weitere Kostenlose Bücher