Tödliche Saturnalien
du nicht verstehst, Senator«, meinte sie.
»Dann laß uns über das reden, was ich weiß. Ich weiß, daß Harmodia einem griechischen Arzt namens Ariston von Lykia Gift verkauft hat. Vor ein paar Monaten hat sie ihm eine langsam wirkende Mixtur verkauft, die ihr Veneficae den ›Freund der Ehefrau‹ nennt.« Bei der Erwähnung des Namens weiteten sich ihre Augen für den Bruchteil einer Sekunde. Es war mir offenbar gelungen, sie zu überraschen. »Mit diesem Gift wurde Celer ermordet. Wenig später wurde Harmodia von demselben Mörder getötet, der offensichtlich seine Spuren verwischen wollte. Ein paar Tage später war auch der Arzt tot, angeblich ein Unfall, aber wir beide wissen es besser, nicht wahr, Furia?«
»Harmodia war dumm!« sagte sie. »Sie hat sich zu häufig mit diesem Griechen abgegeben. Einer Frau, die ihren Ehemann loswerden will, Gift zu verkaufen, ist eine Sache. Was scheren uns diese Leute? Aber dieser Grieche war ein böser Mann. Er hat diejenigen getötet, die sich seiner Obhut anvertrauten. Schlimmer noch, er hat seine mörderischen Dienste an andere verkauft.«
Offenbar haben selbst Giftmischer ihren Ehrenkodex, und Ariston hatte ihn verletzt.
»Warum sagst du, daß Harmodia bereits gerächt ist?« fragte ich sie.
»Der Grieche hat sie getötet.«
»Bist du sicher?«
»Natürlich«, erwiderte sie. »Er war ein großer und ehrenwerter Mann.« Sie sprach die Worte mit derart beißendem Spott, wie ihn nur italische Bäuerinnen oder Cicero an einem seiner besten Tage zustande brachten. »Er konnte es sich nicht leisten, von Harmodia abhängig zu sein, also hat er sie getötet.«
»Hat Harmodia Ariston erpreßt?« fragte ich. »Hat sie für ihr Schweigen Geld verlangt?«
Furia sah mich lange an. »Ja, das hat sie«, sagte sie schließlich. »Ich habe dir doch gesagt, sie war dumm. Außerdem war sie gierig.«
»Wie wollte sie ihn denn bloßstellen, ohne sich selbst der Strafe auszusetzen?«
Furia kicherte tatsächlich. »Sie war doch kein römischer Politiker. Sie hat nicht gedroht, ihn vor der Volksversammlung anzuklagen. Sie wollte einfach sein Tun vielen verschiedenen Menschen an vielen verschiedenen Orten erzählen. Er hat ihr nie gesagt, wen er vergiftet hat, aber wir haben unsere eigenen Methoden, diese Dinge herauszufinden. Und bevor er sie hätte anzeigen können, wäre sie längst über alle Berge gewesen.«
»Ein Freund von mir, ebenfalls ein griechischer Arzt, meint, daß die tödlichste Waffe im heutigen Rom das gesprochene Wort ist.«
»Dann ist dein Freund ein weiser Mann. Manche Dinge bleiben besser unausgesprochen.«
»Wegen eures Kults, Furia …«, begann ich.
»Unserer Religion!« verbesserte sie mich nachdrücklich. »Die Riten zu belauschen, war eine Entweihung, für die du hättest sterben müssen.«
»Das ist etwas, was mir Kopfzerbrechen bereitet«, erwiderte ich. »Obwohl ich eure Riten abstoßend und grausam finde, erkenne ich doch an, daß euer Kult eine uralte und in Italien heimische Religion ist.«
»So ist es. Meine Urmütter haben dieses Ritual schon vollzogen, lange bevor ihr Römer hierhergekommen seid«, erklärte sie. »Ihr habt es sogar übernommen, bis ihr angefangen habt, die Griechen aus dem Süden nachzuahmen. Ihr haltet Menschenopfer für böse, doch ihr laßt es zu, daß bei euren Beerdigungsspielen Männer auf Leben und Tod kämpfen.«
»Das ist etwas anderes«, wandte ich ein. »Das hat einen bestimmten Zweck, außerdem werden die Männer nicht immer getötet. Es ist ein Unterschied zwischen …«
»Ich spuck auf deine Unterscheidungen!« unterbrach sie mich. »Du hast beobachtet, wie wir einen Sklaven geopfert haben. In früheren Zeiten, bevor eure Censoren es zur Straftat erklärt haben, war das Opfer ein Freiwilliger. In Zeiten furchtbarer Krisen hat sich früher manchmal ein Prinz freiwillig geopfert, hat sein Blut für das Wohl seines Volkes in den Mundus vergossen. Was ist im Vergleich dazu euer Schlachten von Bullen, Schafböcken und Ebern?«
»Wie dem auch sei, wie ehrwürdig und geheiligt eure Religion auch sein mag, warum laßt ihr diese patrizischen Frauen daran teilnehmen? Ihr müßt doch wissen, daß sie nur aus Sensationslust kommen, wegen des dekadenten Kitzels, etwas Verbotenes zu tun. Ich weiß, daß ihr das Opfer als heiliges Ritual zum Wohlgefallen eurer Götter praktiziert. Warum laßt ihr es dann zu, daß eure Religion von Fremden entweiht wird, die nur aus Lust am Bösen teilnehmen?«
»Ist das nicht
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