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Toedliche Spiele

Toedliche Spiele

Titel: Toedliche Spiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Collins
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Wald begegnete, hatte ich mich schon etwa ein halbes Jahr auf eigene Faust durchgeschlagen. Es war ein Sonntag im Oktober, es war kühl und roch beißend nach Fäulnis und Tod. Morgens hatte ich den Eichhörnchen die Nüsse streitig gemacht und am Nachmittag, als es etwas wärmer wurde, watete ich durch flache Tümpel und erntete Pfeilkrautknollen. Das einzige Fleisch, das ich erbeutet hatte, war ein Eichhörnchen, das mir auf der Suche nach Eicheln praktisch vor die Füße gelaufen war, aber Tiere würden sich auch noch zeigen, wenn meine anderen Nahrungsquellen unter Schnee begraben wären. Ich war tiefer in den Wald vorgedrungen als sonst und beeilte mich nun, mitsamt meinen Jutesäcken nach Hause zu kommen, als ich fast in einen toten Hasen hineinlief. Er hing mit dem Genick in einer dünnen Drahtschlinge, einen knappen halben Meter über meinem Kopf. Fünfzehn Meter weiter baumelte noch einer. Ich erkannte die Schwippgalgenfallen, weil mein Vater auch solche benutzt hat. Wenn die Beute in die Falle tappt, wird sie in die Luft gerissen, außer Reichweite anderer hungriger Tiere. Ich hatte den ganzen Sommer über versucht, Fallen zu stellen, aber erfolglos. Deshalb konnte ich einfach nicht anders, ich ließ meine Säcke fallen und untersuchte diese hier. Ich fingerte gerade an dem Draht über einem der Hasen, als eine Stimme erschallte: »Das ist gefährlich.«
    Ich sprang ein paar Meter zurück, als Gale hinter einem Baum auftauchte. Er musste mich die ganze Zeit über beobachtet haben. Er war erst vierzehn, aber eins achtzig groß und kam mir vor wie ein Erwachsener. Ich hatte ihn schon ein paarmal im Saum und in der Schule gesehen. Und noch einmal. Sein Vater war bei derselben Explosion ums Leben gekommen wie meiner. Im Januar war ich dabei, wie Gale im Gerichtsgebäude seine Tapferkeitsmedaille überreicht bekam, noch ein ältestes Kind ohne Vater. Ich erinnere mich an seine beiden kleinen Brüder, die sich an die Mutter klammerten, eine Frau, deren dicker Bauch ankündigte, dass sie in wenigen Tagen erneut niederkommen würde. »Wie heißt du?«, fragte er, während er näher kam und den Hasen aus der Falle löste. Drei weitere hingen an seinem Gürtel.
    »Katniss«, sagte ich kaum hörbar.
    »Also, Kätzchen, Diebstahl wird mit dem Tod bestraft, wusstest du das nicht?«, fragte er.
    »Katniss«, sagte ich, diesmal lauter. »Ich wollte ihn gar nicht stehlen. Ich wollte mir nur deine Falle ansehen. Mit meinen fange ich nie was.«
    Er sah mich finster an, nicht überzeugt. »Und wo hast du das Eichhörnchen her?«
    »Geschossen.« Ich nahm den Bogen von der Schulter. Ich benutzte immer noch die kleine Version, die mein Vater für mich gemacht hatte, aber ab und zu hatte ich schon mit dem großen geübt. Im Frühjahr, so hoffte ich, würde ich größeres Wild erlegen können.
    Gales Blick haftete an dem Bogen. »Darf ich mal sehen?«
    Ich gab ihn ihm. »Aber denk dran, Diebstahl wird mit dem Tod bestraft.«
    Das war das erste Mal, dass ich ihn lächeln sah. Er war nicht länger bedrohlich, sondern jemand, den man kennenlernen wollte. Doch es dauerte mehrere Monate, bis ich das Lächeln erwiderte.
    Wir unterhielten uns übers Jagen. Ich sagte, ich könnte ihm vielleicht einen Bogen besorgen, wenn er etwas zum Tausch hätte. Nicht Essen. Ich wollte Wissen. Ich wollte selbst Fallen stellen können, die an nur einem Tag für einen Gürtel voll fetter Hasen sorgten. Er sagte, dass sich da was machen lasse. Im Lauf der Jahreszeiten teilten wir widerstrebend unser Wissen, unsere Waffen, unsere geheimen Orte, wo es jede Menge wilde Pflaumen oder Truthähne gab. Er lehrte mich Fallenstellen und Fischen. Ich zeigte ihm, welche Pflanzen man essen konnte, und gab ihm irgendwann einen unserer wertvollen Bogen. Und ohne dass einer von uns darüber gesprochen hätte, wurden wir eines Tages ein Team. Teilten Arbeit und Beute. Damit unsere beiden Familien zu essen hatten.
    Gale gab mir ein Gefühl der Sicherheit, wie ich es seit dem Tod meines Vaters nicht gekannt hatte. Seine Kameradschaft trat an die Stelle der langen einsamen Stunden im Wald. Seit ich nicht mehr dauernd über die Schulter schauen musste, seit jemand mir Rückendeckung gab, konnte ich viel besser jagen. Aber Gale wurde viel mehr als mein Jagdgefährte. Er wurde mein Vertrauter, jemand, mit dem ich Gedanken teilte, die ich innerhalb des Zauns nie aussprechen konnte. Und er vertraute mir seine an. Mit Gale draußen im Wald ... da war ich manchmal richtig

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