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Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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unterbrach sie ihn mit hoffnungsvollem Blick.
    Er schüttelte den Kopf. »Etwa zehn Minuten, vielleicht fünfzehn. Aber Keelin hat weder etwas zu sich genommen, noch ist sie zur Toilette gegangen. Sie war die ganze Zeit dort im Korridor, wo alle sie sehen konnten.«
    »Allein?«, hakte sie nach; sie weigerte sich, so einfach aufzugeben.
    »Ja…« Er hatte das Bild wieder lebhaft vor Augen. Es war ihm so unnötig erschienen, diese öffentliche Demütigung. »Nur Delphine ist einmal mit einem Päckchen zu ihr gegangen und hat kurz mit ihr gesprochen, worauf Keelin die Hände aufhielt. Delphine hat das Päckchen geöffnet und ihr den Inhalt in die Hände gekippt. Es waren sämtliche Schmuckstücke, die sie Zillah geschenkt hatte, kleine Mitbringsel, Erinnerungsstücke, Minia turen und so weiter. Sie waren staubig… als hätten sie irgendwo ganz hinten in einer Schublade gelegen.«
    »Staub?«, fragte Hester langsam.
    »Vielleicht auch Pulver… ich weiß es nicht.«
    »Aber etwas war da?«
    »Ja… warum? Es war nichts Essbares. Delphine hat ihr nichts gegeben, was sie hätte essen oder trinken können - nur den Schmuck. Sie hat ihn ausgekippt, damit sie jedes Stück einzeln vorlegen und sich von Keelin bestätigen lassen konnte, dass sie alles zurückbekommen hatte.«
    »Was hat sie danach getan?« Hester beugte sich vor.
    »Sie hat den Schmuck in die Innentasche ihrer Jacke geschoben«, antwortete er. »Sie sah… elend aus… als hätte man ihr einen Tritt versetzt.«
    Hester zuckte leicht zusammen. »Und was dann?«
    »Dann kam Rathbone zurück und hat kurz mit Keelin gesprochen; danach kehrten die beiden zusammen in den Gerichtssaal zurück.«
    Hester grübelte schweigend nach. Das Ganze schien nicht viel Sinn zu ergeben. Monk dachte an die Nachmittagssitzung, an die Anspannung und die Verzweiflung. Er sah Keelin Melville vor sich, wie sie neben Rathbone saß. Das Licht spiegelte sich in ihren klaren Augen wider, die beinahe aquamarinfarben waren. Ihre Haut war sehr hell und mit Sommersprossen übersät; ihre Züge waren fein, aber von einer inneren Kraft erfüllt. Es war das Gesicht einer Visionärin. Und auch ihre Hände waren schön und stark und schlank… nur dass sie an den Fingernägeln kaute - nicht schlimm, aber doch Grund genug, um sie sehr kurz zu halten. Sie schien es auch nur in Augenblicken größter Angst zu tun. Er konnte sich erinnern, wie sie die Hände im Mund gehabt hatte, als - Hände im Mund!
    »Sie hat an ihren Fingernägeln gekaut!« Er schrie es fast heraus. Dann beugte er sich zu Hester, nahm ihre Hand, die auf dem Tisch gelegen hatte, und drehte sie um. »Sie hat Fingernägel gekaut!«
    »Was?« Sie sah ihn verblüfft an.
    Er rieb mit den Fingerspitzen über den Tisch und steckte sie dann in den Mund.
    »Das Pulver!« Ihre Worte waren kaum mehr als ein Flüstern.
    »Wenn das das Belladonna war, dann hat sie es von den Händen auf die Lippen übertragen… und in ihren Mund! Sie hatte den Schmuck berührt und das Pulver war an ihren Händen haften geh lieben!«
    »Könnte das gereicht haben?« Er wagte es kaum zu fragen.
    »Möglicherweise …«, sagte sie langsam und sah ihn mit großen Augen an. »…wenn es reines Belladonna war… vor allem, wenn sie nichts gegessen hatte.« Ihre Stimme wurde ein wenig drängender. »Sie hat sich die Hände, nachdem sie den Schmuck gehalten hatte, nicht gewaschen?«
    »Nein, sie ist geradewegs zurück in den Saal gegangen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie zu diesem Zeitpunkt an so etwas gedacht hätte… und falls sie etwas geschmeckt hat, hat sie es gewiss nicht wahrgenommen.«
    »Ich glaube, dass es keinen unangenehmen Geschmack hat«, erwiderte sie. »Kinder essen manchmal versehentlich die Früchte.«
    »Sterben sie daran?«, fragte er.
    »Für gewöhnlich ja. Und dieses Pulver war gewiss ein Konzentrat.«
    »Wo könnte sie es hergehabt haben?« Er versuchte, die Siegesgewissheit aus seiner Stimme herauszuhalten, aber es gelang ihm nicht.
    »Vo n einem Kräuterhändler - oder sie hat es selbst destilliert«, erwiderte sie, ohne den Blick von ihm abzuwenden.
    »Um diese Jahreszeit gibt es aber keine Beeren.«
    »Man braucht die Beeren nicht. Jeder Teil der Pflanze ist giftig… Beeren, Blüten, Wurzeln, Blätter, alles!«
    Monk ballte die Fäuste. »Das ist es! So hat sie es gemacht! Bei Gott, wie gerissen diese Frau ist! Also, wie können wir es ihr nachweisen?« Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Er fühlte sich endlich wieder warm und

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