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Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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für die junge Dame hegen, ja, sie sogar bewundern?« Es war im Grunde keine Frage, sondern eine Feststellung.
    »Ja, Sir.« Tremaine war plötzlich auf der Hut.
    Rathbones Lächeln wurde breiter. Er wusste, worauf die Galerie wartete, was Tremaine selbst mit einem Mal befürchtete. Man konnte es in seinem Gesicht lesen. Der Zeuge holte tief Luft, als wolle er etwas hinzufügen, änderte dann aber seine Meinung.
    »Ja?«, fragte Rathbone hilfsbereit.
    »Nichts…«
    »Sie brauchen sich nicht für Ihre Gefühle zu entschuldigen« , versicherte Rathbone ihm. »Das ist nur natürlich. Die junge Dame ist ausgesprochen attraktiv. Tatsächlich war sogar Mr. Sacheverall selbst außerstande, eine recht beträchtliche…« - er zierte sich ein wenig - »… persönliche Wertschätzung für sie zu verbergen…«
    Er hörte, wie Sacheverall hinter ihm scharf die Luft einsog, und ignorierte es.
    »Ich…« Tremaine sah die Falle vor sich und wich ihr mit einem ziemlich durchschaubaren Manöver aus. »Jawohl, Sir. Ich denke, wir alle hegen gewisse… freundschaftliche Gefühle für sie, die…« Er brach ab, weil er nicht wusste, wie er den Gedanken zu Ende führen sollte.
    »Ist Ihre Wertschätzung so… warmherzig wie die Mr. Sacheveralls?«, fragte Rathbone mit neutralem Tonfall.
    »Hm…« Tremaine sah ihn direkt an. »Ich könnte sagen, dass ich sie als Freundin betracht.« Sacheverall, der leicht errötet war, erhob sich. »Mylord, das Ausmaß meiner Wertschätzung für Miss Lambert ist unerheblich. Es ist Mr. Melvilles Verhalten ihr gegenüber, das hier zur Debatte steht. Wenn Sir Oliver anzudeuten versucht, dass ich in irgendeiner Weise die Regeln strengsten Anstands überschritten habe oder dass Miss Lambert in mir etwas anderes als ihren juristischen Beistand gesehen hat, dann möchte ich ihn warnen, dass auch er nicht über eine Verleumdungsklage erhaben ist. Ich werde Miss Lamberts guten Namen mit allen mir zu Gebote stehenden Mitteln schützen!«
    Rathbone lachte leise auf und fuhr dann jäh zu Sacheverall herum.
    »Mein lieber Sacheverall, Sie haben den ganzen Vormittag darauf verwandt, mich von Miss Lamberts Tugend, ihrem Charme und der Tatsache zu überzeugen, dass die Dame durch und durch begehrenswert is t. Wäre es jetzt wirklich verleumderisch von mir zu behaupten, dass Sie selbst nicht ganz immun gegen ihren Charme sind? Nein, sicherlich wäre es da eher eine Verleumdung, das Gegenteil zu behaupten. Denn dann müssten Sie ja denken, ich hielte Sie für keinen richtigen Mann. Oder ich unterstellte Ihnen zumindest, nicht aufrichtig gewesen zu sein und etwas gesagt zu haben, an das Sie selbst nicht glauben!«
    »Sie…«, begann Sacheverall.
    Aber Rathbone übertönte ihn. »Die Aufrichtigkeit Ihrer Gefühle schien durch Ihre Worte hindurchzuklingen, ebenso wie man sie aus Ihrer Wahl der Adjektive entnehmen konnte, mit denen Sie die junge Dame beschreiben, aus der Inbrunst Ihres Tonfalls und der Anmut Ihrer Gesten. Sie haben Ihre Sache aufs Geschickteste vertreten.«
    »Worauf wollen Sie hinaus?«, fuhr Sacheverall, dessen Wangen inzwischen tief rot waren, auf. »Sie werden nichts Ungehöriges finden!« Er zeigte auf Melville, der sie von seinem Platz aus anstarrte. »Dort haben wir die Schuld zu suchen. Tatsächlich könnte wohl nur ein ungewöhnlicher Mann - oder, um Ihre eigene Ausdrucksweise zu benutzen, jemand, der kein richtiger Mann ist - Miss Lambert etwas anderes als Bewunderung entgegenbringen!« Sein Gesicht verzog sich plötzlich zu einem Ausdruck, der weit abstoßender war, als er es wahrscheinlich selbst wusste. »Haben Sie einmal darüber nachgedacht, Sir Oliver, dass Sie Ihren eigenen Mandanten vielleicht nicht so gut kennen, wie Sie es vermuten? Sie sind der letzte Mann, den ich für naiv gehalten hätte, aber ich könnte mich irren.« Er hatte die Bedeutung seiner Worte verschleiert, aber was er meinte, war klar genug. Man konnte ein allgemeines Aufstöhnen hören. Ein oder zwei der Geschworenen schienen pikiert zu sein. Die Bemerkung war bestenfalls taktlos, schlimmstenfalls verleumderisch.
    Der Richter sah Rathbone erwartungsvoll an.
    Rathbone hatte sich sofort zu Melville umgedreht. Sacheverall hatte Recht insofern, dass er seinen Mandanten tatsächlich nicht so gut kannte, wie es ihm lieb gewesen wäre.
    Aber der Ausdruck auf Melvilles Gesicht zeigte Erheiterung.
    Niemand konnte bezweifeln, dass ihm die Bemerkung komisch erschienen war. Es war ihm keine Verlegenheit anzumerken, nicht ein

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