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Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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ohne auf eine Aufforderung zu warten. »Sonst wären Sie mit dieser Sache gar nicht erst vor Gericht gegangen. Es ist noch nicht zu spät, um Nervosität oder Indisponiertheit vorzuschützen und sie trotz allem zu heiraten. Möglich, dass sie Ihren Antrag zurückweist, Grund genug hätte sie ja dazu - aber dann wäre zumindest ihre Ehre gerettet, und Sie hätten Ihren Kopf aus der Schlinge gezogen.«
    Melville lächelte selbstironisch. »Aber was ist, wenn sie mich nimmt?«
    »Dann heiraten Sie sie«, antwortete Rathbone. »Sie ist charmant, bescheiden, intelligent, ausgeglichen und gesund. Ihr Vater ist reich, und sie ist seine einzige Erbin. Um Himmels willen, Mann, was wollen Sie denn noch? Sie haben zugegeben, dass Sie sie mögen, und das Mädchen selbst hat offensichtlich eine große Zuneigung zu Ihnen gefasst.«
    Melville wandte den Blick ab. »Nein«, sagte er, aber in seiner Stimme lag absolute Entschlossenheit. »Ich kann sie nicht heiraten.«
    Rathbone war außer sich. Er fühlte sich hilflos, weil er so schlecht ausgerüstet in die Schlacht ziehen musste.
    Melville saß auf dem Kamelsattel und starrte mit hochgezogenen Schultern unglücklich und verstockt auf den Boden.
    »Dann nennen Sie mir um Gottes willen einen Grund!« Rathbone hörte, wie seine Stimme ärgerlich und immer lauter wurde. »Wenn Sie es mir verbieten, werde ich diesen Grund nicht anführen, aber lassen Sie ihn mich zumindest wissen! Was stimmt nicht mit Zillah Lambert? Trinkt sie? Hat sie eine Krankheit? Liegt vielleicht Wahnsinn in ihrer Familie? Was ist es?«
    »Nichts«, sagte Melville halsstarrig und ohne aufzublicken. Rathbone konnte nur sein Profil sehen. »So weit ich weiß, ist sie genauso charmant und unschuldig, wie sie aussieht«, fuhr er fort. »Mir ist nichts Gegenteiliges bekannt.«
    »Dann muss es an Ihnen liegen«, sagte Rathbone anklagend.
    Er konnte sich nicht daran erinnern, je zuvor so wütend auf einen Mandanten gewesen zu sein. Melville war begabt, gut aussehend und ein durch und durch herausragender Mensch mit sehr viel Charme…. und er richtete sich wegen einer Sache zu Grunde, die im Vergleich zu den Tragödien und Gewalttaten, mit denen Rathbone für gewöhnlich zu tun hatte, absolut nichtig war. Es war natürlich keine Kleinigkeit, wenn der gute Ruf einer jungen Frau in Zweifel gezogen und ihre Gefühle verletzt wurden, aber diese Dinge wogen so viel weniger als die Gefängnisstrafen, der Ruin und oft sogar der Tod, mit denen er in Mordfällen konfrontiert war. Und Melville vermittelte ihm das Gefühl, seinen Schwierigkeiten mehr oder weniger selbst heraufbeschworen zu haben. Warum hatte er gelogen? Was konnte es nur sein, das zu verbergen einen solchen Preis wert war?
    Melville saß schweigend und in sich zusammengesunken da.
    »Was ist es?«, insistierte Rathbone. »Ist es nur Zillah Lambert, die Sie nicht heiraten wollen, oder sind Sie grundsätzlich gegen eine Heirat?«
    Melville drehte sich zu ihm um; sein Gesicht spiegelte Verwirrung wider, und in seinen Augen lag etwas Dunkles, das Rathbone möglicherweise für Furcht hielt.
    »Nun?«, fragte er eindringlich. »Steht es Ihnen frei zu heiraten? Was Sie mir auch erzählen, ich bin durch einen Eid dazu verpflichtet, es vertraulich zu behandeln. Ich darf vor Gericht um Ihretwillen nicht lügen, aber ich kann und werde Schweigen bewahren. Andererseits kann ich Ihnen unmöglich helfen, wenn ich nicht weiß, woran ich bin!«
    Melville wandte sich mit starrer Miene ab. »Es steht mir frei zu heiraten… aber nicht Zillah Lambert. Damit ist die Sache erledigt. Es liegt nicht an ihr. Ich werde die Strafe auf mich nehmen. Tun Sie einfach nur Ihr Bestes.«
    Rathbone blieb noch eine halbe Stunde, aber er bekam nichts mehr aus Melville heraus. Um Viertel vor zehn verabschiedete er sich und ging nach Hause; der Wind hatte zugenommen, und der sturzbachartige Regen war noch immer überraschend kalt.
    Er schenkte sich ein Glas Malzwhisky ein, leerte es mit einem einzigen Zug, ging dann zu Bett und schlief ausnehmend schlecht, weil ihm seine Träume keine Ruhe ließen.

4
    Die Verhandlung ging am nächsten Morgen damit weiter, dass Sacheverall Zeugen für Zillahs tadellosen Charakter beibrachte, was für Rathbone keine Überraschung war. Es wäre kaum notwendig gewesen - ihr Auftreten hatte durchaus genügt -, aber er konnte schließlich nicht sicher sein, dass Rathbone nicht irgendwelche eigenen Zeugen in der Hinterhand hatte, jemanden, der die Unschuld und den Charme

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