Tödliche Täuschung
sogleich weit von sich. Alles andere in diesem Raum sprach von ihrem Einfluss. Warum nicht auch dies hier, und was hätte es schon bedeutet, wenn es so gewesen wäre?
Monk bedeutete ihm, Platz zu nehmen. »Handelt es sich um einen geschäftlichen Besuch?«, fragte er. Er stand am Feuer und sah auf Rathbone hinab.
Rathbone lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander, um zu zeigen, wie locker er war.
»Natürlich ist es das. Ich mache zu dieser Stunde keine privaten Besuche.«
»Sie müssen mit einem schwierigen Fall beschäftigt sein.« Monk war noch immer belustigt, zeigte aber jetzt Interesse.
Rathbone wollte sicherstellen, dass Monk sein Erscheinen mit beruflichen Dingen in Zusammenha ng brachte; er sollte nicht glauben, dass er Hester aus persönlichen Gründen finden wollte. Allein die Vorstellung, Monk könnte diesen Eindruck gewinnen , war ihm unerträglich. Er würde es Rathbone auf seine ganz spezielle Weise spüren lassen.
»Ich habe in der Tat einen schwierigen Fall«, sagte er freimütig. »Ich bin mit meinem Latein am Ende, und ich weiß, dass ich belogen werde. Ich brauche jemanden, der die Sache von einem vollkommen anderen Standpunkt aus betrachtet.« Er sah, dass Monks Interesse wuchs.
»Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann«, erbot sich Monk.
»Worum geht es denn bei diesem Fall? Wessen wird Ihr Mandant beschuldigt? Mord?«
»Man wirft ihm vor, ein Gelöbnis gebrochen zu haben.«
»Was?« Monk konnte es kaum glauben. »Ein Gelöbnis! Ein Eheversprechen?« Er musste unwillkürlich lachen. »Und Sie verstehen es nicht?« Es lag nicht direkt offene Verachtung in seiner Stimme, aber doch beinahe.
»So ist es«, stimmte Rathbone ihm zu. Er war seit jeher ein Meister in der Kunst, die Beherrschung nicht zu verlieren. Bessere Männer und geschicktere Taktiker als Monk hatten ihn zu provozieren versucht und waren damit gescheitert. »Mein Mandant riskiert es, nicht nur Geld, sondern auch sein berufliches Ansehen zu verlieren, falls er verurteilt wird. Und er hat eine brillante Karriere vor sich. Manche Leute behaupten sogar, er sei ein Genie.«
Monks Gesicht wurde ernst, und seine Neugier kehrte zurück.
»Warum hat er dann jemandem den Hof gemacht und die Verlobung wieder gelöst?«, fragte er. »Was hat er über die Frau in Erfahrung gebracht?«
»Er sagt, es gebe keinen derartigen Grund«, erwiderte Rathbone. Da sie nun schon einmal dabei waren, konnte er sich genauso gut auch Monks Meinung anhören. Sie hatten schon viele Probleme gemeinsam bewältigt, dass sie einander besser kannten, als es den meisten Menschen vergönnt war.
»Dann gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder er lügt« , antwortet Monk, ohne Rathbone dabei aus den Augen zu lassen , »oder es liegt an ihm selbst, und er ist nicht bereit, mit Ihnen darüber zu reden.«
»Korrekt«, pflichtete Rathbone ihm bei. »Aber ich habe keine Ahnung, welche von beiden Möglichkeiten zutrifft oder welcher konkrete Grund sich dahinter verbergen könnte.«
»Wollen Sie mich bitten, es herauszufinden… Gegen Ihren eigenen Mandanten?«, fragte Monk. »Dafür wird er Sie kaum bezahlen! Oder Ihnen danken.«
»Nein, das hatte ich nicht vor«, entgegnete Rathbone scharf.
»Ich möchte das Urteil einer Frau über diesen Fall hören.
Callandra befindet sich in Schottland. Ich würde gern Hester fragen.« Er blickte forschend in Monks Gesicht und sah, wie die Augen des anderen Mannes sich leicht weiteten. Was auch immer Monk denken mochte, er hielt es verborgen. »Ich weiß nicht, womit sie gegenwärtig beschäftigt ist, und dachte, Sie hätten vielleicht eine Ahnung.«
»Nein, das habe ich nicht«, antwortete Monk, ohne mit der Wimper zu zucken. »Aber ich weiß, wie ich es herausfinden kann. Wenn Sie wünschen, werde ich es tun.« Er sah kurz auf die Uhr. »Ich nehme an, es ist dringend?«
»Erwarten Sie noch jemanden?« Rathbone deutete seine Geste absichtlich falsch.
Monk zuckte kaum merklich die Schultern und löste sich von dem Kaminsims, an dem er gelehnt hatte. Wieder huschte ein Lächeln über seine Lippen. »Nicht zum Frühstück«, antwortete er und durchquerte den Raum.
»Sie haben wahrscheinlich schon gegessen?«, fragte Monk, wobei sein Tonfall die Antwort schon vorwegnahm. »Ich nicht.
Aber wenn Sie eine Tasse Tee mit mir trinken wollen, würde ich mich freuen. Erzählen Sie mir mehr über diesen Fall… bei dem es um ein gebrochenes Versprechen, verletzte Gefühle und zweifelhaften Ruf geht. Das Geschäft
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