Tödliche Therapie
kümmern, daß meine Mörder hinter Gitter kämen.
„Soll ich Sie begleiten, Schätzchen?“
Mr. Contreras war Ende siebzig. Obgleich
braungebrannt, gesund und kräftig für sein Alter, würde er einen Kampf Mann
gegen Mann nicht lange durchstehen. Ich schüttelte den Kopf.
„Es ist ausgemacht, daß ich allein komme.
Andernfalls werden sie schießen.“
Er seufzte bedauernd. „Sie haben so ein aufregendes
Leben. Wenn ich nur zwanzig Jahre jünger wäre... Sie sehen heute wirklich
hübsch aus. Falls ich Ihnen einen Rat geben darf: Wenn Sie zu diesen Typen
gehen, putzen Sie sich nicht gar so heraus.“
Ich dankte ihm ernst und blieb bis Mittag bei ihm
im Garten. Mr. Contreras hatte bis zu seiner Pensionierung vor fünf Jahren als
Maschinenschlosser in einer kleinen Werkzeugfirma gearbeitet. Er fand meine
Abenteuer weit interessanter als jeden Krimi im Fernsehen und revanchierte sich
gern mit Geschichten über Ruthie und ihren Mann.
Nachmittags fuhr ich hinüber zur Washtenaw Avenue
und langsam am ausgemachten Treffpunkt vorbei. Die Straße befindet sich in
einem der Viertel um Humboldt Park, nahe der Grenze zu Pilsen, die recht
heruntergekommen sind. Die meisten Gebäude waren ausgebrannt. Diejenigen, die
noch bewohnt wurden, waren über und über mit Graffitis besprüht. Blechdosen
und Glasscherben ersetzten Rasen und Bäume. Autos und Reifen standen herum.
Eines blockierte knapp einen Meter vom Randstein entfernt fast die ganze
Straße. Das Heckfenster fehlte. Der Treffpunkt mit Sergio war ein Laden, dessen
Fenster mit dicken Vorhängen verhängt waren. Auf der rechten Seite lag ein halb
zerstörtes, dreistöckiges Gebäude, auf der linken ein verfallener
Spirituosenladen. Bei meiner Ankunft heute abend würden sich einige Löwen in
der Hausruine versteckt haben, andere würden vermutlich vor dem Spirituosenladen
herumlungern und sich von beiden Enden des Blocks Zeichen geben.
An der Ecke bog ich links ab und kam auf eine
schmale Straße, die hinter den Häusern entlangführte. Die drei zehnjährigen
Jungen, die dort Ball spielten, waren aller Wahrscheinlichkeit nach
Bandenmitglieder. Wenn ich die Straße entlangfuhr oder mit ihnen sprach, würde
Sergio es mit Sicherheit erfahren. Ich entdeckte keine Möglichkeit, mich
einigermaßen unbemerkt dem Treffpunkt zu nähern. Außer ich würde durch die
Abwasserkanäle kriechen und aus dem Kanalloch mitten auf der Straße wieder
auftauchen.
7 In der Höhle des Löwen
Ich hatte noch acht Stunden Zeit bis zu meinem
Rendezvous. Wenn ich heute jede Minute ausnützte, könnte ich am Montag zu
Lotty, Tessa und den Alvarados gehen und ihnen versichern, ich hätte mein
Bestes getan - jetzt sei Detective Rawlings an der Reihe.
Ich fuhr den Western Boulevard entlang bis zur
Armitage Avenue, bog dann auf die Milwaukee Avenue, wo der Expressway auf
Betonpfeilern bedrohlich über den Häusern schwebt. Unter mir lag die Holy
Sepulchre High-School, in die Consuelo gegangen war. Dort unten auf dem
holprigen Asphaltplatz hatte sie Tennis gespielt, hatte in den weißen Shorts
und dem weißen Hemd bezaubernd ausgesehen und die Abgase der Autos über ihr
eingeatmet. Ich habe ihr einmal zugesehen und konnte verstehen, daß Fabiano sie
unwiderstehlich gefunden hatte. Er wartete immer in einer Bar weiter oben an
der Straße auf seine Schwester, die ebenfalls Tennis spielte. Nachdem Consuelo
in die Mannschaft aufgenommen wurde, trieb er sich bei der Schule herum und
beobachtete die Mädchen. Als nächstes machte er den Chauffeur und fuhr die
Mannschaft zu den Spielen. Und so hatte alles angefangen. Ich erfuhr die Geschichte
von Paul, als sich Consuelos Schwangerschaft herumsprach.
Die Stadt hält sich an gewisse Regeln, was Kneipen
und Schulen betrifft - sie dürfen nicht in unmittelbarer Nachbarschaft stehen.
Ich drehte eine Runde durch die Gegend und entdeckte ein paar Kneipen im
weiteren Umkreis der Schule, die als Fabianos Stammkneipen in Betracht kamen.
Schon in der ersten hatte ich Glück. Fabiano genehmigte sich ein Bier in El
Gallo, einer stickigen kleinen Bar, auf deren Tür ein bunter, handgemalter Hahn
prangte. Gemeinsam mit ungefähr fünfzehn Männern verfolgte er gebannt ein
Baseballspiel im Fernsehen. Ich holte mir einen Hocker und stellte ihn hinter
Fabiano. Der Barkeeper, am anderen Ende der Theke in ein Gespräch vertieft,
beachtete mich nicht. Ich wartete höflich, bis der Spielzug zu Ende war und
beugte mich dann über Fabianos Schulter.
„Wie wär's
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