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Tödliche Therapie

Tödliche Therapie

Titel: Tödliche Therapie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
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geschwollene
und in allen Regenbogenfarben schillernde Backe und das blutunterlaufene linke
Auge. Ich sah aus wie eine vergewaltigte Hausfrau. Als ich den Kragen des
Wollhemds vom Hals wegzog, bemerkte ich dort eine zweite, ähnliche Wunde, die
bis zum Schlüsselbein verlief.
    „Wer ein Ziel erreichen will, muß die Mittel in
Kauf nehmen“, sagte ich in einem Anfall von Großmut, ohne mir im klaren
darüber zu sein, ob ich Sergios Mittel oder meinen eigenen unbesonnenen
Vorstoß in sein Reich meinte.
    „Machen Sie sich keine Sorgen, Mädchen - das wird
heilen. Sie werden schon sehen. Die hier hab ich Ihnen mitgebracht für den
Fall, daß Sie eine Weile hätten hierbleiben müssen.“ Er streckte mir die
Gänseblümchen hin.
    Ich dankte ihm. „Sie lassen mich nach Hause, ich
werde sie mitnehmen.“
    Er folgte mir den Gang entlang und erzählte dabei
ununterbrochen von den Kämpfen, die er in seiner Zeit als Maschinenschlosser
ausgefochten hatte, wie seine Nase gebrochen wurde, wie er seinen linken
Eckzahn verlor - er zog die Lippe in die Höhe, um mir die Lücke zu zeigen -,
was seine Frau ihn geheißen hatte, als er völlig betrunken um vier Uhr früh
nach Hause gekommen war mit einem blauen Auge und dem Mann, der es ihm
geschlagen hatte, untergehakt und fröhlich singend.
    Meine offizielle Entlassung verlief reibungslos. Um
in dem heruntergekommenen Stadtviertel zahlungskräftige Patienten zu gewinnen,
warb das Beth Israel mit erstklassigen Leistungen in allen Bereichen - die man
auch erhielt. Zumindest behauptete Lotty das. Die Schwester und die
Verwaltungsangestellte, die meine Entlassungspapiere bearbeiteten, behandelten
mich mit einer zuvorkommenden Höflichkeit, die sich wohltuend von Mrs.
Kirklands ruppigen Manieren im Friendship Hospital unterschied. Sie gaben mir
ein spezielles Reinigungsmittel und eine Salbe für die Wunde mit, sagten, ich
solle in einer Woche wiederkommen, um die Fäden ziehen zu lassen, und
verabschiedeten sich mit den besten Wünschen.
    Im Auto stellte Mr. Contreras bereitwillig den
Sender ein, der das Baseballspiel übertrug. Ich war froh, im Auto und nicht im
Stadion zu sitzen. Mr. Contreras bestand darauf, mich hinauf in den dritten
Stock zu begleiten, um sich zu vergewissern, daß es mir an nichts fehlte. Außer
den Gänseblümchen hatte er noch ein Steak und eine Flasche Whiskey für mich
eingekauft. Ich war gerührt von so viel Anteilnahme und lud ihn ein, ein Glas
mit mir zu trinken.
    Mit dem Whiskey machte ich es mir auf meinem
kleinen Küchenbalkon bequem und verfolgte im Radio das Spiel, während Mr.
Contreras unten im Garten das Steak auf unserem Gemeinschaftsgrill briet. Er
war stolz auf seine Fähigkeiten als Koch, die er sich seit dem Tod seiner Frau
angeeignet hatte. Ein paar koreanische Kinder, deren Familien im zweiten Stock
wohnten, spielten vorsichtig Ball. Mr. Contreras Freundlichkeit verschwand
auf der Stelle, sobald er seine Tomaten bedroht sah. Oder sein Eigentum im
allgemeinen. Oder seine Nachbarn.
    Ich aß unter Schmerzen, die dank des Whiskeys
jedoch erträglich waren, als die Polizei auf der Bildfläche erschien. Es
klingelte, und ich schwankte benommen zur Sprechanlage. Als sich Detective
Rawlings ankündigte, erinnerte ich mich vage daran, daß Dr. Pirwitz gesagt
hatte, die Polizei wolle mich sprechen. Krankenhäuser melden routinemäßig alle
Fälle von Gewaltanwendung.
    Detective Rawlings war ganz falsche Freundlichkeit.
Er trug Jeans und ein T-Shirt, wozu das Jackett, das er anhatte, um darunter
die Pistole zu verbergen, nicht paßte. Er kam in Begleitung eines
uniformierten Beamten, der das hölzerne Benehmen an den Tag legte, das typisch
ist für Männer in Uniform, die fürchten, von ihren Vorgesetzten in Verlegenheit
gebracht zu werden.
    „Haben sich 'ne kleine Schnittwunde zugezogen,
nicht wahr, Warshawski?“ begrüßte mich Rawlings.
    „Nichts Auffälliges. Wenigstens behauptet das der
Arzt. Ich werde ihm berichten müssen, daß Sie sich nicht haben täuschen lassen.“
    „Vermutlich habe ich in meinem Leben zuviele
Schnittwunden gesehen. Ich bin nicht so leicht zu täuschen - zumindest nicht,
was diese Art von Verletzung angeht. Was allerdings den Unterschied zwischen
einem Privatdetektiv und einem Anwalt betrifft, da bin ich manchmal wirklich
ratlos. Was sind Sie, Miss Warshawski, Anwalt oder Detektiv?“
    Mr. Contreras eilte an meine Seite, um mir
beizustehen, machte aber keine Anstalten, sich einzumischen. Ich stellte ihn
höflich vor,

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