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Tödliche Therapie

Tödliche Therapie

Titel: Tödliche Therapie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
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und ihn daran hindern.“
    „Wenn jemand kommt und mich erschießen will, rufen
Sie die Polizei. Und bleiben in Ihrer Wohnung und sperren die Tür ab.“
    Er zog trotzig die Augenbrauen in die Höhe, bereit,
das Thema ausführlich zu diskutieren. Ich verabschiedete ihn entschlossen und
verriegelte alle Türschlösser. Jemand, der unbedingt herein will, bricht jede
Tür auf, aber bei meinem Einzug hatte ich immerhin extra starke Türen mit
schweren Schlössern einbauen lassen. Ich hatte zu viele schlechte Erfahrungen
gemacht, um die Angelegenheit auf die leichte Schulter zu nehmen.
     
    10   Arzt in Trauer
     
    Ich legte mich hin. Aus dem Radio kam leise die
Übertragung des Baseballspiels. Ich entspannte mich, und die Stimmen im Radio
wurden zu einem entfernten Summen. Ich träumte, ich stünde außerhalb des hohen
Zauns, der den Sportplatz meiner High-School umgab, und beobachtete ein
Baseballspiel. Ein Spieler drehte sich zu mir um, winkte und bedeutete mir, ich
solle über den Zaun steigen und mitspielen. Ich wollte den Zaun hochklettern,
aber mein rechtes Bein war wie gelähmt. Ich sah hinunter und bemerkte das Baby,
das sich an meinem Hosenbein festhielt und mit seinem stummen, traurigen Gesicht
zu mir heraufstarrte. Ich konnte mich nicht von ihm befreien, ohne es zu
verletzen, und es wollte mich nicht loslassen. Die Traumbilder wechselten, aber
was immer geschah, das Baby klammerte sich an mich.
    Ich wußte, daß ich schlief, und wollte verzweifelt
dem Treibsand der Träume entfliehen. Doch vielleicht wegen der drei Whiskeys
oder wegen der Schmerzmittel, die sie mir im Krankenhaus gegeben hatten,
schaffte ich es nicht. Das Läuten des Telefons wurde zum Teil eines Alptraums,
in dem ich vor der SS floh und das Baby sich an meiner Bluse festhielt und
weinte. Schließlich gelang es mir, soweit wach zu werden, daß ich mit einem
bleischweren Arm nach dem Hörer greifen und mich melden konnte.
    „Miss Warshawski?“ fragte eine männliche Stimme,
die mir vage bekannt vorkam.
    Ich räusperte mich. „Ja. Mit wem spreche ich?“
    „Peter Burgoyne. Wir kennen uns aus dem Friendship
Hospital in Schaumburg. Habe ich zu einem ungünstigen Zeitpunkt angerufen?“
    „Nein, nein. Ich habe gerade geschlafen, wollte
aber sowieso aufstehen. Warten Sie einen Augenblick.“ Ich kam schwerfällig auf
die Beine, taumelte ins Badezimmer, zog mich aus und ließ eiskaltes Wasser über
mein entzündetes Gesicht laufen. Ich wußte, daß Burgoyne wartete, aber ich nahm
mir Zeit und wusch mir die Haare - frischgewaschenes Haar ist der Schlüssel zu
einem wachen Geist.
    Im Bademantel trottete ich mit einem Anflug von Energie
zurück ins Schlafzimmer. Burgoyne war noch dran.
    „Tut mir leid, daß Sie so lange warten mußten. Ich
hatte letzte Nacht einen Unfall und muß erstmal die Medikamente rausschlafen,
die man mir im Krankenhaus gegeben hat.“
    „Unfall? Mit dem Auto? Ich nehme an, Sie wurden
nicht ernstlich verletzt, sonst wären Sie jetzt nicht zu Hause.“
    „Nein, nur das Gesicht ein bißchen zerschnitten.
Ein häßlicher Anblick, aber nicht lebensgefährlich.“
    „Vielleicht sollte ich ein anderes Mal anrufen“,
meinte er zweifelnd.
    „Nein, nein, ist schon in Ordnung. Was ist los?“
    Als er aus der Zeitung von Malcolms Ermordung
erfahren hatte, war er entsetzt gewesen. „Was für ein Schlag für Sie nach dem
Tod des Mädchens und des Babys. Und jetzt hatten Sie auch noch einen Unfall. Es
tut mir leid.“
    „Danke. Es war nett von Ihnen, daß Sie angerufen
haben.“
    „Ja, also... Ich möchte zur Beerdigung des Mädchens
gehen. Vielleicht sollte ich besser nicht, aber es deprimiert mich so, daß wir
sie nicht retten konnten.“
    „Die Beerdigung ist morgen um eins.“
    „Ich weiß. Ich habe die Familie angerufen. Die
Sache ist die, daß es mir peinlich ist, allein hinzugehen. Ich habe mir gedacht
- gehen Sie?“
    Ich biß die Zähne zusammen. „Ja, natürlich, Sie
können mit mir kommen“, sagte ich nicht sehr begeistert. „Treffen wir uns in
der Kirche, oder holen Sie mich in meiner Wohnung ab?“
    „Sie klingen nicht so, als ob Sie wirklich gehen
wollten.“
    „Ich will auch nicht gehen. Und Sie sind heute
schon der Dritte, der mich daran erinnert. Aber ich werde dort sein, und wenn
Sie einen breiten Rücken brauchen, um sich dahinter zu verstecken, steht Ihnen
meiner zur Verfügung.“
    Er wollte am nächsten Tag um halb eins bei mir sein
- das sei einfacher, als sich in der vollen Kirche zwischen all den

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