Tödliche Therapie
Stimme durchschnitt den Nebel. Lotty. Nicht Gabriella, meine
Mutter. „Dir geht's mies. Was immer dich dazu veranlaßt hat, allein loszuziehen,
mach dir darüber heute keine Sorgen. Na los, Liebchen. Auf die
Füße. So ist's gut. Stütz dich auf mich.“
Ich stand langsam auf, zitterte in der warmen Luft.
Lotty rief etwas. Man brachte einen Rollstuhl. Ich sank hinein und wurde
weggefahren. Ich versuchte nicht mehr, wach zu bleiben. Weiße Lichter
leuchteten verschwommen hinter meinen narkotisierten Lidern. Nadelstiche in
meinem Gesicht - sie nähten mich wieder zusammen. Etwas Kaltes auf meinem
Rücken. Die Muskeln entspannten sich. „Werde ich sterben, Doc?“ murmelte ich.
„Sterben?“ wiederholte eine Männerstimme. Ich kam
zu Bewußtsein und sah einen alten Mann mit grauem Haar. „Ihr Leben war keinen
Augenblick in Gefahr, Miss Warshawski.“
„Das wollte ich eigentlich gar nicht wissen. Was
ich wissen will - mein Gesicht, wie schlimm wird es aussehen?“
Er schüttelte den Kopf. „Es wird kaum was zu sehen
sein. Vorausgesetzt Sie gehen nicht in die pralle Sonne und ernähren sich
gesund. Ihr Freund wird möglicherweise eine dünne Linie sehen, wenn er sie küssen
will, aber wenn er so nah ist, macht er möglicherweise sowieso die Augen zu.
Sie bleiben für den Rest der Nacht hier. Die Polizei möchte mit Ihnen sprechen,
aber ich habe sie auf morgen vertröstet.“
Obwohl er ein alter Chauvi war, war er vielleicht doch
nicht so übel. Als ich nach Lotty fragte, sagte er mir, daß sie gegangen sei,
nachdem feststand, daß ich die Nacht über hierbleiben würde. Ich ließ mich zu
einem Aufzug fahren, dann mehrere Stockwerke nach oben und einen Korridor
entlang in ein Krankenzimmer. Eine Schwester zog mich aus, brachte mir ein
Nachthemd und hob mich mit solcher Leichtigkeit ins Bett, als wäre ich ein Kind
und nicht ein sechzig Kilo schwerer Detektiv.
„Sagen Sie ihnen, sie sollen mich morgen früh nicht
zum Blutdruckmessen wecken“, murmelte ich noch und fiel danach in einen tiefen
Schlaf.
9 Polizist auf Grilltomate
Dank der Schlaftabletten schlief ich bis zwei Uhr
am Sonntagnachmittag. Als ich schließlich aufwachte, konnte ich es kaum
glauben: Niemand hatte mich geweckt. Die strikte Krankenhausroutine hatte eine
Ausnahme zugelassen. Es hat Vorteile, gute Freunde in wichtigen Positionen zu
haben.
Um drei kam eine Assistentin, um nach mir zu sehen.
Sie bewegte meine Arme und Beine und kontrollierte meine Augen. „Dr. Pirwitz hat
gesagt, Sie können heute nachmittag nach Hause gehen, wenn Sie sich dazu in der
Lage fühlen.“
Dr. Pirwitz? Ich vermutete, das war der grauhaarige
Chirurg. Ich war nicht auf den Gedanken gekommen, ihn nach seinem Namen zu
fragen, als er mich zusammenflickte. „Sehr gut. Ich fühle mich in der Lage
dazu.“ Mein Kiefer schmerzte höllisch, und meine Schultern waren so steif, daß
ich aufstöhnte, als ich sie bewegte. Aber ich würde mich zu Hause schneller
erholen als im Krankenhaus.
Sie kritzelte etwas in meine Akte. „In Ordnung.
Alles erledigt. Geben Sie dieses Blatt im Schwesternzimmer ab, und Ihre
Entlassung ist offiziell.“ Sie lächelte aufmunternd und ging.
Ich stieg etwas wacklig aus dem Bett und wankte ins
Badezimmer. Beim Anziehen wurde ich mir der Myriaden von Muskeln in Armen und
Beinen bewußt. Wer hätte gedacht, daß es so viele sind? Ich zog mir gerade die
Schuhe an, als Mr. Contreras zögernd in der Tür auftauchte. Er hielt ein paar
Gänseblümchen in der Hand. Sein Gesicht hellte sich auf, als er mich angezogen
sah.
„Ich war schon um eins da, aber die haben mir
gesagt, daß Sie noch schlafen. Oje, Mädchen, haben Sie sich ihr Gesicht schon
mal angeschaut? Es sieht aus, als wären Sie in eine Riesenschlägerei
verwickelt gewesen. Na ja, wird schon wieder werden. Jetzt fahren wir nach
Hause und legen ein rohes Steak drauf - das hat Wunder gewirkt bei meinen
blauen Augen, die ich hatte, als ich noch jung war.“
Ich hatte mir Sergios Werk noch nicht angesehen.
Tatsächlich hatte ich den Spiegel tunlichst vermieden, als ich mich im Bad
gewaschen hatte. „Ich glaub's Ihnen aufs Wort“, sagte ich verdrießlich. Jetzt
konnte ich nicht länger widerstehen und warf einen Blick in den Spiegel an der
Wand. Eine dunkle Linie begann ungefähr drei Zentimeter unterhalb meines linken
Auges und lief bis zum Kiefer. Durchsichtige Plastikklammern hielten die Wunde
zusammen. Das Ganze sah gar nicht so schrecklich aus - bis auf die
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