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Tödliche Therapie

Tödliche Therapie

Titel: Tödliche Therapie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
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Familienmitgliedern,
Nonnen und Schulfreundinnen zu treffen. Ich erklärte ihm den Weg zu meiner
Wohnung und legte auf.
    Ich fragte mich, ob Burgoyne viele Patienten
starben - wenn ja, müßte er wohl die meiste Zeit ziemlich zerknirscht sein.
    Aber möglicherweise kamen dank des relativ hohen
Lebensstandards in den nordwestlichen Vororten nicht sehr viele Frauen mit
einer Risikoschwangerschaft auf seine Neugeborenenstation. Vielleicht war
Consuelo das erste junge Mädchen gewesen, das er behandelt hatte, seit er aus
Chicago weggezogen war. Oder vielleicht hatte er sie erst mal überhaupt nicht
behandelt, weil er dachte, sie sei eine mittellose Mexikanerin.
    Ich rief Lotty an, um ihr mitzuteilen, daß ich
nicht mit ihr zur Beerdigung ginge, und legte mich wieder ins Bett. Diesmal
schlief ich fest und traumlos und wachte kurz nach fünf am nächsten Morgen auf.
    Ich zog Shorts und ein Sweatshirt an und ging zu
Fuß die zwei Meilen bis zum Hafen, um die Sonne über dem See aufgehen zu
sehen. Der Angler war wieder da und warf seine Angel aus in das graue, ruhige
Wasser. Ich fragte mich, ob jemals ein Fisch angebissen hatte, wollte ihn aber
nicht ansprechen und das wunderschöne holländische Stilleben zerstören. Auf dem
Nachhauseweg versuchte ich zu laufen, aber die Bewegung verursachte Schmerzen
in meinem Gesicht. Damit würde ich wohl noch ein paar Tage warten müssen.
    Als ich das Haus betrat, kam Mr. Contreras in die
Halle. „Wollte bloß nachsehen, ob es jemand ist, der zum Haus gehört, Mädchen.
Geht's besser heute?“
    „Viel besser, danke“, sagte ich kurz angebunden und
stieg die Treppe rauf. Der Morgen ist nicht gerade meine beste Tageszeit, und
ich war nicht in der Stimmung für einen Schwatz. Ich öffnete den kleinen Safe,
den ich in der Wand hinter dem Garderobenschrank hatte einbauen lassen, und
holte meine Smith & Wesson heraus. Ich trage sie nicht oft, aber wenn
Rawlings sich Sergio vorknöpfen und ich Anzeige erstatten würde, könnte ich sie
möglicherweise brauchen. Ich reinigte sie sorgfältig und lud sie. Mit Halterung
wog sie fast ein Kilo, ein ziemliches Gewicht, wenn man nicht daran gewöhnt
ist. Ich steckte sie mir in den Hosenbund und übte eine Weile, sie schnell
herauszuziehen und zu entsichern. Ich sollte wirklich regelmäßig zum
Übungsschießen gehen, aber das gehört zu den unzähligen Dingen, die große
Disziplin erfordern, und deshalb lasse ich es bleiben -
    Nach ungefähr einer Stunde steckte ich den Revolver
weg und ging in die Küche. Ich las den Herald-Star und aß zwei Joghurt mit Blaubeeren. Dank Mr.
Contreras war kein Geschirr zu spülen, vielleicht sollte ich ihn jeden Sonntag
zum Essen einladen. Dann warf ich einen Blick ins Wohnzimmer. Ein heilloses
Durcheinander. Aber es wäre wohl das letzte, wenn ich die Wohnung aufräumte,
nur weil sich Burgoyne zu Consuelos Beerdigung eingeladen hatte. Derselben
Logik gehorchend ließ ich das Bett ungemacht und warf meine Shorts und das
Sweatshirt auf den Kleiderhaufen auf dem Stuhl. Im Badezimmer inspizierte ich
mein Gesicht. Das Rot-Lila begann bereits in Gelb- und Grüntöne überzugehen.
Wenn ich die Zunge im Mund unter die Wunde drückte, schmerzte es zwar, aber der
Schnitt klaffte nicht mehr auf. Dr. Pirwitz hatte recht gehabt - es würde
schnell heilen. Meine Toilette beschränkte sich darauf, mich zu waschen und
die Wunde mit der Salbe zu versorgen, die man mir im Beth Israel gegeben hatte.
Ich zog einen marineblauen Hosenanzug und eine weiße Leinenbluse an. Die Jacke
war lang genug, um den Revolver zu verbergen. Mit den flachen schwarzen Schuhen
sah ich aus wie eine Klosterschülerin.
    Als Burgoyne kurz vor halb eins kam, öffnete ich
die Haustür mit dem Türöffner und ging ins Treppenhaus, um mitzuerleben, was
Mr. Contreras unternehmen würde. Er erschien prompt auf dem Schauplatz. Ich
lachte in mich hinein und horchte still.
    „Entschuldigen Sie, junger Mann, aber wo wollen Sie
hin?“ Burgoyne war verblüfft. „Zu einem der Mieter im dritten Stock.“
    „Warshawski
oder Cummings?“
    „Warum wollen Sie das wissen?“ Burgoyne sprach ganz
ruhig, wie zu einem hysterischen Patienten.
    „Ich habe meine Gründe, junger Mann. Ich möchte
nicht die Polizei rufen müssen. Also, zu wem wollen Sie?“
    Bevor Mr. Contreras den Ausweis oder zumindest den
Führerschein zu sehen verlangte, rief ich hinunter, daß ich wisse, wer es sei.
    „In Ordnung, Mädchen. Wollte nur sichergehen, daß
es nicht ein Freund von Freunden ist,

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