Toedliche Traeume
mir.«
»Ich vertraue dir, auch wenn ich zwischendurch ins Wanken geraten bin. Du hattest recht, es fällt mir schwer, jemandem zu vertrauen. Aber dann habe ich mir gesagt, wenn ich mir selbst und meinen Instinkten traue, dann muss ich auch dir vertrauen.« Sie lief schneller. »Aber das hier hat nichts mit Vertrauen zu tun.«
Er fluchte vor sich hin. »Also gut, meinetwegen. Dann machen wir’s gemeinsam, verdammt. Wieso willst du eigentlich immer alles im Alleingang machen? Immerhin hast du mich schon um das Vergnügen gebracht, Boch das Hirn wegzupusten. Falls du es vergessen haben solltest, ich habe ein berechtigtes Interesse daran, die Welt von Sanborne zu befreien.«
Wie konnte sie das vergessen? Sie nickte.
»Und ich entscheide, auf welche Weise wir’s machen. Wenn du das nicht akzeptieren kannst, musst du mich erschießen, um mich davon abzuhalten, dass ich dich niederschlage.« Er sah sie durchdringend an. »Und du weißt, dass ich es tun werde.«
»Ja.«
Bis zum Haus waren es nur noch wenige Hundert Meter. Es war kein einziger Wachmann in Sicht. Was jedoch nicht bedeutete, dass sich keiner im Haus befand, dachte Sophie. »Sanborne hat zwei Leibwächter, die ihm nie von der Seite weichen. Ich sehe keinen von ihnen.«
»Kommt man von hinten in die Bibliothek?«
»Ja, vor der Bibliothek liegt eine Veranda.« Sophie lief um das Haus herum. »Es sind nirgendwo Wachleute zu sehen. Wo stecken die bloß?«
»Du hast gesagt, Sanborne hat nur zwei Leibwächter?«
»Er ist ja davon ausgegangen, dass er demnächst eine Insel voller Sklaven haben würde, da dachte er wahrscheinlich, zwei genügen.« Sie zeigte auf die Verandatüren. »Dahinter ist die Bibliothek.«
»Kein Licht. Wartest du hier, bis ich nachgesehen habe, ob die Luft rein ist?«
»Nein.«
»Leck mich doch.« Er drückte sich neben der Tür an die Wand. »Dann bleib wenigstens hinter mir.« Mit dem ausgestreckten Arm öffnete er die Tür und stieß sie mit dem Fuß auf.
Keine Schüsse.
Er hechtete in den Raum und rollte sich auf die Seite.
Sie folgte ihm.
Keine Schüsse.
Royd schaltete seine Taschenlampe ein und ließ den Lichtkegel durch den Raum gleiten. Leer. Kein Geräusch. Kein Geräusch im ganzen Haus.
»Vielleicht ist er zu der Aufbereitungsanlage gerannt, als er die Explosion gehört hat«, meinte Sophie.
»Nein, das glaube ich nicht. Sanborne würde seine wertvolle Haut nicht riskieren, sondern eher das Weite suchen, um sich einen neuen Plan zurechtzulegen.« Royd richtete sich auf. »Und das bedeutet, dass du wahrscheinlich recht hast mit deiner Vermutung, dass er sich mitsamt den REM-4-CDs in Sicherheit gebracht hat.«
»Wie denn?«
»Durch die Luft oder zu Wasser.« Royd sprang auf und ging zur Tür. »Keine Hubschraubergeräusche. Ich wette, er ist unterwegs zum Pier und versucht, auf sein Boot zu gelangen.« Er hatte kaum einen Fuß auf die Veranda gesetzt, als er losrannte wie der Teufel.
Sanborne war gerade dabei, in sein Boot zu steigen, als sie den langen Pier erreichten. Einer seiner Leibwächter hatte bereits den Motor angelassen.
»Verdammt«, murmelte Royd, während seine Hand die Pistole umklammerte. »Dieser Pier ist zu lang, wir sind immer noch nicht in Schussweite. Wir müssen näher ran.«
Er rannte noch schneller.
»Ah, Sophie, meine Liebe«, rief Sanborne, als das Boot ablegte. »Ich hatte gehofft, Sie vor meiner Abreise noch zu sehen, damit ich Ihnen mitteilen kann, dass Ihr Sohn gerade einen langsamen, qualvollen Tod stirbt. Das habe ich sofort veranlasst, als ich sah, wie die Anlage in die Luft fliegt.«
»Meinem Sohn passiert überhaupt nichts«, entgegnete sie. »Man hat Sie reingelegt, Sanborne.«
»Ich glaube Ihnen kein Wort.«
Jetzt mussten sie doch nah genug sein.
»Es ist die Wahrheit.«
»Dann werde ich dafür sorgen müssen, dass Sie ihn nie wiedersehen.« Sanborne gab seinem Leibwächter ein Zeichen. »Erschießen Sie sie, Kirk.«
Der Mann hob sein Gewehr.
O Gott, ein Gewehr hatte eine wesentlich größere Reichweite als ihre Pistolen.
»Nein!« Royd überholte Sophie, riss sie zu Boden und schoss.
Aber gleichzeitig wurde aus dem Gewehr ein Schuss abgefeuert.
Das unverkennbare Geräusch einer Kugel, die in menschliches Fleisch eindrang.
Royd war getroffen!
Seine Beine gaben unter ihm nach, und er stürzte.
Blut sprudelte aus seiner Brust, und die Augen fielen ihm zu.
»Royd!«
Noch ein Schuss. Die Kugel schlug dicht neben Sophie in die Holzplanken des Piers ein.
Weitere Kostenlose Bücher