Tödliche Unschuld
Schuldspruchs rechtmäßig verurteilen und bestrafen kann.‹«
»Okay. Nicht schlecht«, meinte Nadine und wandte sich von ihrem Rekorder ab. »Wie wäre es im Anschluss noch mit einem kurzen Interview?«
»Nein. Ich habe zu tun, Nadine. Ich muss zu einer Beerdigung.«
Für die Gedenkveranstaltung für Kevin Halloway hatte man ein Bestattungsinstitut nur ein paar Blocks vom Hauptrevier entfernt gewählt. Jedes Mal, wenn Eve einem toten Kollegen zu Ehren in das Gebäude kam, ging ihr durch den Kopf, dass man bei der Unternehmensgründung sicher angenommen hatte, dass die Nähe zu einem großen Polizeirevier eindeutig ein Vorzug war.
Heute hatten sie den gesamten riesigen ersten Stock geöffnet, doch die Gäste standen dicht gedrängt. Polizisten fanden trotz Arbeitsüberlastung stets einen Weg, um sich die Zeit zu nehmen, einem Kollegen die letzte Ehre zu erweisen.
Sie entdeckte Bürgermeister Peachtree, der umgeben von seinen Assistenten Hände schüttelte und angemessen grimmig, mitfühlend oder verständnisvoll das Gesicht verzog.
Eve hatte nichts persönlich gegen ihn. Er machte seine Arbeit mit einem Minimum an Aufhebens und Arroganz. Vielleicht war er sogar ehrlich.
Auf alle Fälle sah er ehrlich - ehrlich sauer - aus, als er sie in der Menge entdeckte.
Mit einer knappen, herrischen Geste winkte er sie zu sich heran.
»Bürgermeister.«
»Lieutenant.« Den ruhigen Ton, mit dem er sie begrüßte, hätte man fälschlicherweise für ein Zeichen der Trauer halten können, doch sie hörte die Verärgerung, die aus seiner Stimme klang. »Ihre Vorgesetzten haben uneingeschränktes Vertrauen in Ihre Fähigkeiten, und bisher hatten Sie mit Ihrer Arbeit ein Höchstmaß an Erfolg. Aber in dieser Angelegenheit sind Sie nicht nur eine Polizistin, sondern eine öffentliche Person. Ihre Erklärung gegenüber Nadine Furst von Channel 75 war weder mit uns abgesprochen noch von uns autorisiert.«
»Meine Erklärung war spontan und akkurat.«
»Es geht nicht darum, akkurat zu sein.« Er atmete tief durch. »Es geht um die Wahrnehmung der Leute, um das Image, um die Botschaft, die man rüberbringt. Lieutenant, wir müssen in dieser Krise eine Einheit bilden, wir sind in diesem Fall ein Team.«
Er legte eine Hand auf ihren Arm. Es war eine warme Geste, und sie war genauso einstudiert wie das leichte Lächeln, zu dem er unvermittelt seinen Mund verzog. »Ich verlasse mich darauf, dass wir uns verstehen.«
»Ja, Sir.«
Er trat einen Schritt zurück, wurde abermals von seiner Entourage und von Menschen, denen an einem, wenn auch noch so flüchtigen, Kontakt mit Macht und Ruhm gelegen war, verschluckt.
Eve zog Commander Whitneys ruhige Souveränität der strahlenden Erscheinung Peachtrees vor. Er hatte seine Gattin mitgebracht. Falls es etwas gab, auf das sich Anna Whitney hervorragend verstand, war es der öffentliche Auftritt als die Ehefrau des Polizeichefs von New York. In einem schwarzen Kostüm von schlichter Eleganz stand sie neben ihrem Mann und umfasste sanft die Hände einer anderen Frau.
»Halloways Mutter.« Feeney trat lautlos neben Eve. »Ich habe schon mit ihr gesprochen. Sie hat ausdrücklich darum gebeten, dir vorgestellt zu werden.«
»Mann!«
»Ich weiß. Ich hasse diese Dinge ebenso. Siehst du den attraktiven Rotschopf neben dem Chief? Das ist Lily Doogan, Halloways Verlobte. Sie ist völlig fertig. Außerdem sind Kollegen aus sämtlichen Bezirken da. Das hat einiges zu sagen.«
»Ja. Das hat einiges zu sagen.«
»Sie haben ihn im Nebenzimmer aufgebahrt. McNab ist dort.« Feeney stieß einen Seufzer aus. »Ich habe ihm einen Stuhl besorgt. Er kann noch nicht so lange stehen.
Roarke leistet ihm Gesellschaft.«
»Roarke ist hier?«
»Ja.« Feeney verzog unglücklich das Gesicht. Ich habe es dort drinnen nicht mehr ausgehalten. Es wurde mir echt zu viel.«
»Es reicht, wenn du hier draußen bist.«
»So fühlt es sich aber nicht an. Aber jetzt stelle ich dich erst mal seiner Mutter vor.«
Sie bahnten sich einen Weg durch die Schar der Trauergäste, die sich mit gedämpften Stimmen unterhielten. Die Luft war schwer vom Duft der Blumen, und die Beleuchtung war gedämpft.
»Lieutenant.«
Eve spürte eine Hand auf ihrem Arm, drehte den Kopf und blickte Jenna Franco ins Gesicht. Statt Trauer drückte ihre Miene ein Höchstmaß an Verärgerung aus. Anders als dem Bürgermeister waren ihr die Gefühle deutlich anzusehen.
»Ms Franco.«
»Ich muss mit Ihnen sprechen. Unter vier Augen.«
»Ich
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