Toedliche Verfolgung
leichtsinnig. Beides keine Charaktereigenschaft, die er im Moment besonders schätzte. Vielleicht hätte er doch lieber zu Fuß weitergehen sollen, dann würde er zumindest lebendig irgendwo ankommen. Ihm wurde flau im Magen, als sie mit einem heftigen Ruck über die Kante zur Asphaltstraße flogen. In Erwartung eines fatalen Sturzes schloss er die Augen, doch nichts passierte. Im Gegenteil, in noch schnellerem Tempo als zuvor rasten sie die Rampe zum Highway hinauf.
Er benetzte seine staubtrockenen Lippen, bevor er sich zu ihrem Ohr beugte. »Danke, Sie können mich hier absetzen.«
»Ach wo, ich bringe Sie einfach zum nächsten Rastplatz, dort können Sie sich dann eine andere Mitfahrgelegenheit suchen.«
»Das ist wirklich nicht nötig …«
»Kein Problem, ich habe gerade nichts Besseres zu tun.«
Haarscharf schossen sie vor einem Pick-up auf die Fahrbahn. Bremsen quietschten, eine Hupe dröhnte. Jack klammerte sich fester an die Fremde und biss die Zähne zusammen. Noch ein paar solcher Manöver und er war ein toter Mann. Schon jetzt schien sein Herz im dreifachen Tempo zu schlagen, er stand kurz vor einem Infarkt.
»Etwas langsamer bitte.«
Sie blickte wieder zu ihm zurück und schien an seiner Miene zu erkennen, dass er es ernst meinte. Mit gedrosselter Geschwindigkeit ordnete sie das Motorrad auf der mittleren Fahrbahn ein. Er wollte sich bei ihr bedanken, aber er war zu sehr damit beschäftigt, seinen Mageninhalt davon abzuhalten, sich auf ihr T-Shirt zu ergießen. Das fände sie dann sicher nicht mehr lustig. Der Gedanke daran stimmte Jack fast heiter. Aber nur fast. Sein verkrampfter Griff um ihre Taille löste sich etwas, er rückte ein kleines Stück von ihr ab.
Klatsch!
Ihr Zopf flog durch die Luft und landete erneut in seinem Gesicht. Jack versuchte sich zu ducken, aber irgendwie schienen die Haare stets genau zu wissen, wo er gerade war, immer wieder schlug der Zopf an seinen Kopf. Schließlich wurde es ihm zu viel, er schnappte ihn sich mit einer Hand und stopfte ihn in den Kragen ihres T-Shirts.
»Was … oh.« Lissa verstummte, als sie erkannte, dass der Mann sich nur vor ihren Haaren schützte. Seine Finger an ihrem Hals zu fühlen, war überraschend gewesen, aber irgendwie auch … aufregend. Genervt verdrehte sie die Augen. Hatte sie es dermaßen nötig, dass ihr selbst die Berührung von einem nicht ganz frisch riechenden Unbekannten einen Schauer über den Rücken rieseln ließ?
Ihrer Freundin Erin hatte sie versprochen, endlich aus ihren Träumen aufzuwachen und sich mit einem netten, ›normalen‹ Mann zu verabreden. Nun, das tat Lissa auch hin und wieder, aber es war so furchtbar langweilig. Irgendwie schien nie derjenige dabei zu sein, der ihr Herz wirklich zum Klopfen brachte. Außerdem lebte sie auch sehr gut ohne einen Mann an ihrer Seite. Nur manchmal sehnte sie sich danach, jemanden zu haben, mit dem sie lachen und reden konnte, der sie verstand, und mit dem sie auch mal etwas Verrücktes anstellen konnte.
Aber jetzt war sie hier, in der Freiheit, und sie konnte nichts Schlechtes daran finden, wenn sie jemandem einen langen Fußmarsch ersparte. Natürlich war so etwas nicht ganz ungefährlich, aber auch wenn der Fremde ziemlich düster und ein wenig heruntergekommen aussah, hatte sie doch gespürt, dass er keine Gefahr für sie darstellte. Zumindest keine körperliche. Warum das so war, wusste sie auch nicht.
Seine Hände lagen warm um ihrer Taille, sein Körper presste sich an ihren Rücken. Wenn es nach ihr ginge, könnten sie noch ein paar Stunden so weiterfahren, aber schließlich waren sie nicht zum Spaß hier, sondern um ihrem geheimnisvollen neuen Freund wieder zu seinem Truck zu verhelfen. Es war ihr zwar ein Rätsel, wie man so etwas Großes verlieren konnte, aber vielleicht würde sie es noch erfahren.
Sie setzte den Blinker und fuhr die Abfahrt hinunter zu einem Rastplatz mit kleinem Diner. Hier würde sicher Hilfe zu finden sein. Langsam ließ sie die Harley ausrollen und stellte den Motor ab. Sofort stieg ihr Fahrgast von der Maschine und entfernte sich ein paar Schritte. Lissa verkniff sich ein Grinsen als sie sah, dass er ein wenig taumelte. Die Männer von heute waren aber auch wirklich nichts mehr gewohnt. Aufmerksam beobachtete sie, wie sich seine Gesichtsfarbe langsam wieder normalisierte. Mit den Fingern fuhr er durch seine vom Wind zerzausten, schwarzen Haare und offenbarte dabei eine Tätowierung auf der Innenseite seines Oberarmes. Als er ihren
Weitere Kostenlose Bücher