Tödliche Versuchung
gefunden.«
»Und?«
»Ich will wissen, wer der Tote ist. Ich will wissen, wer ihn getötet hat. Und ich will wissen, warum du dich gestern Abend aus Hannibals Haus davongeschlichen hast.«
Ich spürte förmlich das ganze Gewicht von Rangers Persönlichkeit am anderen Ende der Leitung. »Das brauchst du alles nicht zu wissen.«
»Und ob ich das wissen muss. Ich bin unfreiwillig in einen Mordfall verwickelt.«
»Du bist unfreiwillig an einen Tatort geraten. Das ist etwas anderes, als in einen Mordfall verwickelt zu sein. Hast du schon die Polizei benachrichtigt?«
»Nein.«
»Es wäre besser, du würdest die Polizei informieren. Aber hinsichtlich meines kleinen Einbruchs in das Haus solltest du etwas zurückhaltender sein.«
»Ich könnte mir vorstellen, in vielerlei Hinsicht zurückhaltender zu sein.«
»Hängt ganz von dir ab«, sagte Ranger.
»Du hast eine miese Einstellung!«, schrie ich ihn an. »Ich habe die Nase voll von deiner Geheimnistuerei! Dein Problem ist, dass du die Leute, die für dich arbeiten, in nichts einweihst. Erst baggerst du mich an, dann sagst du mir, es würde mich alles nichts angehen. Ich weiß nicht einmal, wo du überhaupt wohnst.«
»Wenn du nichts weißt, kannst du auch nichts verraten.«
»Vielen Dank für dein Vertrauen.«
»So ist es nun mal«, sagte Ranger.
»Noch etwas. Morelli möchte, dass du ihn anrufst. Er beschattet seit einiger Zeit eine Person. Du stehst mit dieser Person in Verbindung, und Morelli meint, du könntest ihm vielleicht behilflich sein.«
»Bis später«, sagte Ranger und legte auf.
Na gut. Wenn er es so haben wollte.
Wutschnaubend stapfte ich in die Küche, nahm die Pistole aus der Keksdose, schnappte mir meine Umhängetasche, stürmte den Flur entlang, die Treppe hinunter, durch die Eingangshalle nach draußen zu meinem Buick. Joyce stand auf dem Parkplatz, in dem Wagen mit der verbeulten Stoßstange. Sie sah mich aus dem Haus kommen und zeigte mir den Stinkefinger. Ich bedankte mich mit der gleichen Geste und fuhr los, zu Morelli. Joyce heftete sich an meine Fersen. Nichts dagegen. Von mir aus konnte sie sich den ganzen Tag an mich hängen. Was mich betraf, war Ranger ab jetzt auf sich allein gestellt. Ich würde mich zurückziehen.
Morelli und Bob hockten einträchtig auf dem Sofa und guckten den Sportkanal. Auf dem Sofatisch lag eine leere Pizzaschachtel, ein leerer Eiskrembecher und ein paar zerbeulte Bierdosen.
»Mittagessen?«, frage ich.
»Bob hatte Hunger. Aber keine Sorge, Bier hat er nicht getrunken.« Morelli klopfte auf das Polster neben sich. »Hier ist noch Platz für dich.«
Wenn Morelli den Polizisten mimte, waren seine braunen Augen klar und abschätzend, sein Gesicht hager und kantig, und die Narbe, die die rechte Augenbraue durchtrennte, vermittelte den zutreffenden Eindruck, dass er noch nie vorsichtig gelebt hatte. Wenn Morelli sich dagegen sexy fühlte, waren seine braunen Augen wie Schmelzschokolade, sein Mund weich, und die Narbe vermittelte den unzutreffenden Eindruck, dass er ein klein bisschen bemuttert werden wollte.
Im Moment fühlte sich Morelli gerade besonders sexy. Ich fühlte mich das Gegenteil von sexy. Ich fühlte mich sogar ziemlich missmutig. Ich ließ mich aufs Sofa fallen, blickte finster die leere Pizzaschachtel an und dachte an mein bescheidenes Mittagsmahl.
Morelli legte mir einen Arm um die Schulter und kraulte mich am Hals. »Endlich allein«, sagte er.
»Ich muss dir etwas beichten.«
Morelli hörte auf mich zu streicheln.
»Ich habe heute zufällig einen Toten gefunden.«
Er lehnte sich zurück. »Meine Freundin findet andauernd Tote. Womit habe ich das verdient?«
»Du hörst dich an wie meine Mutter.«
»So komme ich mir auch vor.«
»Lieber nicht«, sagte ich schnippisch. »Ich kann es nicht mal ab, wenn sich meine Mutter wie meine Mutter vorkommt.«
»Und, willst du mir mehr erzählen?«
»Wenn du es nicht hören willst – kein Problem. Ich kann es auch den Kollegen auf der Wache melden.«
Er richtete sich kerzengerade auf. »Soll das heißen, du hast es nicht der Polizei gemeldet? Ach, du Scheiße! – Soll ich raten? Du bist in ein Haus eingebrochen und bist auf einen Mordfall gestoßen, richtig?«
»In Hannibals Haus.«
Morelli sprang auf die Beine. »Hannibals Haus!?«
»Aber ich bin nicht eingebrochen! Der Hintereingang stand offen.«
»Wie kannst du nur einfach so in Hannibals Haus einbrechen?«, schrie er mich an. »Was zum Teufel hast du dir dabei
Weitere Kostenlose Bücher