Tödliche Versuchung
Briefkasten.«
Und mit dem Kerl habe ich eine Beziehung?
»Ich bin fertig«, sagte Grandma. »Wir können gehen.« Sie trug einen lila Jogginganzug, dazu weiße Tennisschuhe.
Ihr Haar war in kleine Locken gelegt, und sie hatte einen pinkfarbenen Lippenstift aufgetragen. Unter dem Arm klemmte eine große schwarze Lederhandtasche. Ich hatte Angst, sie würde ihre Pistole mitnehmen und den Angestellten bei der Autoanmeldung damit drohen, sollte man ihr nicht den Führerschein aushändigen.
»Du hast doch nicht etwa deine Waffe eingesteckt, oder?«, fragte ich sie.
»Wie kommst du denn darauf?«
Ich glaubte ihr kein Wort.
Als wir nach unten auf den Parkplatz kamen, ging Grandma schnurstracks zu meinem Wagen. »Wenn ich mit dem Buick vorfahre, sind meine Chancen, den Führerschein zu kriegen, sicher besser«, sagte sie. »Ich habe gehört, bei jungen Frauen in Sportwagen kriegen sie Hemmungen.«
Mit uns trafen auch Habib und Mitchell auf dem Parkplatz ein. Sie hatten ihren alten Lincoln wieder.
»Sieht ja so gut wie neu aus«, sagte ich.
Mitchell strahlte. »Ja, das haben wir gut hingekriegt, nicht?
Wir haben ihn erst heute Morgen abgeholt. Mussten noch warten, bis der Lack trocken war.« Er sah hinüber zu Grandma, die in meinem Buick am Steuer saß. »Was haben wir denn heute vor?«
»Ich bringe meine Großmutter zur Fahrprüfung.« »Wirklich nett von Ihnen«, sagte Mitchell. »Sie sind eine gute Enkelin, aber ist die Oma nicht ein bisschen zu alt für den Führerschein?«
Grandma biss sich auf die künstlichen Zähne. »Alt?«, kreischte sie. »Ich zeige Ihnen gleich, wer hier alt aussieht.« Ich hörte, wie der Verschluss der Handtasche geöffnet wurde; Grandma fasste hinein und zog ihre Pistole mit dem langen Lauf hervor. »Für’n Schuss in Ihr Auge bin ich noch nicht zu alt«, sagte sie und zielte.
Mitchell und Habib duckten sich in ihren Sitzen, um sich aus der Schusslinie zu bringen.
Ich starrte Grandma wütend an. »Hast du nicht gesagt, du hättest keine Waffe dabei?«
»Muss mich wohl geirrt haben.«
»Steck sie weg. Und wehe du drohst dem Beamten in der Zulassungsstelle damit. Sonst verhaften sie dich noch.« »Verrückte alte Braut«, hörte man Mitchell aus den Tiefen des Lincoln schimpfen.
»Das höre ich schon lieber«, sagte Grandma. »Gegen Bräute habe ich nichts.«
12
Ich hatte gemischte Gefühle bei dem Gedanken, dass Grandma ihren Führerschein machte. Einerseits fand ich es toll, weil sie unabhängiger sein würde, andererseits würde ich selbst nicht allzu gern Auto fahren mit ihr. Auf der Hinfahrt hatte sie feine rote Ampel überfahren, war immer voll in die Bremsen getreten, sodass ich jedes Mal in den Sicherheitsgurt gedrückt wurde, und hatte sich dann vor der Zulassungsstelle auch noch auf den Behindertenparkplatz gestellt und darauf beharrt, dass sich das mit den Statuten des Bunds der Menschen im Ruhestand vereinbaren ließ.
Als Grandma nach der Fahrprüfung in den Warteraum gestapft kam, wusste ich gleich, dass die Straßen noch eine Weile vor ihr sicher sein würden.
»Aus und vorbei«, sagte sie. »Er hat so gut wie nichts durchgehen lassen.«
»Du kannst die Prüfung wiederholen«, sagte ich.
»Das werde ich auch. Ich wiederhole sie so lange, bis ich bestanden habe. Ich habe ein verdammtes Recht aufs Autofahren.« Sie presste die Lippen zusammen. »Vielleicht wäre ich gestern mal besser in die Kirche gegangen.«
»Hätte nicht schaden können«, sagte ich.
»Das nächste Mal reiße ich vorher alle Stoppschilder heraus. Ich zünde eine Kerze an und lese die Bibel rauf und runter.«
Mitchell und Habib verfolgten uns immer noch, aber hielten zweihundert Meter Abstand. Auf dem Hinweg waren sie uns beinahe jedes Mal, wenn Grandma eine Vollbremsung machte, hinten reingefahren. Jetzt, auf dem Rückweg, wollten sie kein Risiko eingehen.
»Willst du immer noch aus meiner Wohnung ausziehen?«, fragte ich Grandma.
»Ja. Ich habe deiner Mutter schon Bescheid gesagt. Heute Nachmittag kommt Louise Greeber vorbei und hilft mir beim Packen. Du brauchst dich also um nichts zu kümmern. Es war nett von dir, dass ich so lange bei dir wohnen durfte. Vielen Dank. Aber ich brauche meinen Schlaf. Ich weiß nicht, wie du mit so wenig Schlaf auskommst.«
»Ach, so einigermaßen«, sagte ich. »Dann steht dein Entschluss also fest.« Vielleicht würde ich auch eine Kerze anzünden.
Bob erwartete uns schon, als wir in die Wohnung zurückkamen.
»Ich glaube, er muss mal sein
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