Toedliche Worte
und da sah ich ein Regal mit ramponierten gebundenen Büchern. Zwei nahm ich herunter, fand sie aber nicht besonders interessant. Dann schnappte ich mir The Three Hostages, und von der ersten Seite an nahm mich dieses Buch mit den Schilderungen eines Milieus gefangen, dessen Lebensumstände sich radikal von meinen unterschieden.
Bis zu diesem Moment hatte ich mir nie vorstellen können, dass es möglich ist, vollständige Kontrolle über den bewussten Willen eines anderen Menschen zu erreichen. The Three Hostages handelte von zwei Dingen, die ich mir mehr als alles andere wünschte: absolute Überlegenheit und den Zugang zu einer Welt von Macht und Erfolg. Von Geburt an war ich von Letzterem ausgeschlossen, aber wenn ich die Überlegenheit für mich gewinnen konnte, würde ich dafür etwas fast genauso Schönes erwerben.
The Three Hostages war der erste Schritt auf einer langen Reise zum innersten Kern der Psyche anderer Menschen. Eine Kontrolle darüber war möglich, daran zweifelte ich nie. Und ich hatte auch keine Zweifel, dass ich sie erreichen konnte. Ob ich sie nutzen konnte, um die Welt um mich herum zu verändern, musste sich noch herausstellen. Aber alles in allem dachte ich, ich würde es wahrscheinlich schaffen.
Zuerst war mein Weg alles andere als klar. Als Strategie schien mir geeignet, möglichst viel Information zu sammeln, und ich suchte alles zusammen, was ich über Hypnose, Bewusstseinserweiterung, Gehirnwäsche und Steuerung der Psyche finden konnte. Je mehr ich lernte, desto mehr versuchte ich meine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Ich übte an Schulfreundinnen, versuchte unbemerkt den Geheimnissen meiner Lover auf die Spur zu kommen und versuchte mich sogar an Kollegen. Bald fand ich heraus, dass meine Fähigkeiten geringer waren, als ich gehofft hatte. Obwohl ich hin und wieder bemerkenswerte Erfolge hatte, scheiterte ich auch oft. Die Psyche der meisten Menschen entzog sich entschieden meinem Zugriff. Und egal, wie intensiv ich meine Versuche betrieb, ich erzielte einfach keinen Durchbruch.
Dann entdeckte ich, dass es eine Kategorie schwächerer Gemüter gab, die weniger Abwehrkräfte gegen meine Technik hatten. Leute, die von den anderen als langsam und dumm abgelehnt wurden, konnte ich meinem Willen unterwerfen. Vielleicht war das nicht gerade der welterschütternde Effekt, von dem ich geträumt hatte, aber doch etwas, das ganz klare Möglichkeiten bot.
Die Frage war dann: Was würde ich mit der Macht anstellen, die ich mir verschafft hatte? Wie konnte ich das verstärken, was jetzt in meiner Gewalt war?
Die Antwort kam aus dem Nichts. Macht hoch zwei.
W enn Wissen Macht war, dann war die Art und Weise, wie man es weitergab, angewandte Macht. Also war Sam Evans immer bereit, ein bisschen davon herzugeben, um eine Menge dafür zurückzubekommen. Es war überraschend, wie viel die Leute von sich gaben, wenn sie dachten, man rede offen mit ihnen. So war es auch mit Kevin. Als Gegenleistung für ein paar Brocken Wissen über Stacey Chens Werdegang hatte Evans eine Fülle von Informationen über Don, Paula und Kevin selbst bekommen. Gerade solche Dinge konnten als subtile kleine Druckmittel nützlich sein, sollte er jemals so etwas brauchen, um sie aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Sie saßen in einem Pub auf dem Land, ein paar Meilen vom Swindale entfernt, und stärkten sich mit einem wohlverdienten Bier nach einem langen und frustrierenden Tag, an dem sie mit einem kleinlichen Revierkrieg gegen Kollegen beschäftigt gewesen waren und sorgfältige Vernehmungen durchgeführt hatten. Eigentlich sollten sie für morgen früh einen Aktionsplan aufstellen, aber insgeheim waren sie sich einig, dass sie genug von der Schinderei und dieser deprimierenden Arbeit hatten, die sich mit toten Kindern befasste. Der Klatsch über die Kollegen vom Revier war doch viel interessanter.
Als Kevins Mobiltelefon klingelte und eine SMS ankündigte, unterbrach er die Geschichte, die er gerade erzählte. Er sah ungläubig auf das Display. »Will sie uns vollends auf die Palme bringen, oder was?«, rief er aus und drehte das Telefon so, dass Evans den Text lesen konnte.
Unter der Überschrift STACEY MOBY stand: ›Mördr hat Paula gefsst. Sie wrd vermisst.‹
Evans schüttelte den Kopf. »Das ist doch nicht von Stacey. Gar nicht ihr Stil.«
Kevin wählte schon die Nummer. Sobald die Verbindung hergestellt war, sagte er: »Was meinst du damit, der Mörder hat Paula gefasst? Soll das ein makabrer Witz
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