Toedliche Worte
sie sich. Es war um vieles interessanter, als auf der Straße herumzurennen. Nichts würde hier geschehen, ohne dass sie davon erfuhr.
Carol raste den Gehweg entlang, alptraumhafte Phantasiebilder schossen ihr durch den Kopf. »Nein, nein, nein«, keuchte sie beim Ausatmen, während sie die zwanzig Meter zur Ecke rannte, wo sie Paula zuletzt gesehen hatte. Als sie um die Ecke kam, stieß sie mit einem Kollegen zusammen, beide waren außer Atem. Carol strauchelte, fand aber dann das Gleichgewicht wieder. Sie drängte sich vorbei und traf auf weitere Polizisten, die an der Stelle in dem schmalen Durchgang herumstanden, wo Paula mit dem Mann verschwunden war. Sie drängelte sich durch und folgte dem Durchgang bis ans Ende. Er führte auf eine andere Straße, an die sich Gassen, Passagen und Hintereingänge anschlossen. Es war ein wahres Labyrinth.
»Verteilt euch«, rief Carol. »Kontrolliert den ganzen Bereich. Sie können nicht weit gegangen sein. Scheiße!«
»Das ist ja ein Irrgarten hier, sie könnten überall sein«, sagte Merrick mit verstörtem Gesicht und versagender Stimme.
»Dann steht doch nicht herum und quatscht, fangt an zu suchen. Und jemand soll zusehen, dass er das Tor hier aufkriegt«, fügte sie hinzu und schlug mit der Faust gegen die Tür in der Mauer des Durchgangs. »Findet heraus, wo sie hinführt, und untersucht alles haargenau.« Carol fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Von ihrer Schädelbasis ging ein stechender Schmerz aus. Wie hatte das geschehen können?
Merrick sprach aufgeregt in sein Sendegerät. »Alle Einheiten. Sucht die unmittelbare Nachbarschaft ab. Eine Kollegin vermisst. Ich wiederhole, Kollegin vermisst.« Er sah zu Carol hinüber. »Sollen wir mit der Tür-zu-Tür-Befragung anfangen?«
Sie nickte. »Jan, Sie können das in die Hand nehmen. Und fangen Sie mit denen an, die hinter diesem Tor wohnen.« Carol wandte sich ab und erstickte fast an ihrem Zorn. Als die Beamten um sie herum sich zerstreuten, fragte sie sich, was sie anders hätte machen können. Das Schlimmste war, dass ihr dazu nichts einfiel.
Diesmal ist es eine Ordnungshüterin. Er weiß nicht, warum, er weiß nur, dass es so sein muss. Die Stimme trifft die Entscheidungen, die Stimme weiß alles am besten, die Stimme lässt ihn nie im Stich.
Sie sieht wie all die anderen aus, wie eine Hure, aber sie ist Polizistin. Dieses Wissen macht ihm Angst, aber trotzdem kann er noch das tun, was er erledigen soll. Er kann’s kaum fassen, wie leicht es ist, sie einzufangen. Genau wie die Stimme vorausgesagt hat. Die Stimme sagte, sie würde lammfromm und kreuzbrav mitkommen, und das hat sie getan.
Er schnappte sie sich von der Straße, es war kinderleicht. Eher leichter als bei den anderen, weil er sie nicht vorher kannte. Es ist nicht schwer, sie sich als dreckiges Stück Fleisch vorzustellen, weil sie nie etwas getan hat, das ihn anders von ihr denken ließe. Er führt sie in den Durchgang, schneidet dann das Kabel durch, genauso wie er es den ganzen Nachmittag geübt hat. Schnipp, schnapp, so einfach. Sie merkt es überhaupt nicht.
In den Hof, durch die Tür, die Treppe hoch. Sie zögert nicht einmal, plappert weiter, denn sie meint, dass jemand zuhört, dem sie die Wegbeschreibung zu dem Zimmer gibt, das für sie vorbereitet ist. An der Doppeltür, die wie ein Schrank aussieht, wenn man die äußere Tür auf dem Treppenabsatz aufmacht, zögert sie nicht einmal. Allerdings erwähnt sie sie und glaubt, damit einen Hinweis weiterzugeben. Als er ihr sagt, sie solle sich aufs Bett legen und Beine und Arme spreizen, tut sie wie geheißen. Er riecht ihre Nervosität, aber richtig Angst hat sie nicht, noch hat sie nicht genug Angst. Die Fesseln werden angelegt, und ihm ist klar, dass sie immer noch auf die Kavallerie wartet, die als Retter durch die Tür gestürmt kommt. Sie versucht nicht einmal, mit den Füßen zu treten, als er die Fußfesseln anlegt.
Aber als er den Knebel reinschiebt, ändert sich die Sache. Er merkt, dass ihr das überhaupt nicht gefällt. Ihre Augen weiten sich, und von ihren saftigen runden Titten steigt die Röte bis zu den Haarwurzeln auf. Ganz plötzlich dämmert es ihr, dass es vielleicht nicht so laufen wird wie geplant. Dass er die Kontrolle hat und nicht sie und die jämmerlichen Trottel auf ihrer Seite. Er lächelt ihr zu, das entspannte, triumphierende Lächeln des Siegers.
»Sie kommen nicht«, sagt er. »Du bist allein.« Er beugt sich vor, fasst ihr unter den Rücken und zieht den
Weitere Kostenlose Bücher