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Toedliche Worte

Toedliche Worte

Titel: Toedliche Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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dem schmalen Geländer Fingerabdrücke abnahm, und ging weiter nach oben. Am Ende der steilen Treppe ohne Läufer fiel aus einer offenen Tür ein langer Lichtschein auf den Treppenabsatz davor. Die Luft war geschwängert mit kupfrigem Blutgeruch und der strengeren Ausdünstung menschlicher Ausscheidungen. Obwohl Carol sich darauf vorbereitet hatte, spürte sie die Erinnerung in sich hochkommen und hätte fast das Gleichgewicht verloren. Aber der Anblick der Kollegen von der Spurensicherung, die ganz nüchtern ihrer Arbeit nachgingen, holte sie aus dem Kaleidoskop von Bildern, das sie zu überwältigen drohte, in die Gegenwart zurück. Weiter hinauf und weiter hinein.
    Als sie die Tür erreichte, merkte sie, dass Merrick und Kevin sich umdrehten und sie anschauten. Zuerst konzentrierte sie sich auf die Einzelheiten drum herum und näherte sich nach und nach dem, was in der Mitte des Zimmers lag. Es war ein einfaches Zimmer, kitschig und billig eingerichtet mit alter, fleckiger Raufasertapete in einer Farbe, die früher einmal zartrosa gewesen war. Ein Bettgestell aus Kiefer, zwei Sessel, anscheinend vom Sperrmüll, ein Waschbecken, ein Kartentisch und sonst kaum etwas. Nichts, was sie von der Leiche auf dem Bett hätte ablenken können.
    Die Frau war gefesselt, ihre Beine und Arme waren gespreizt wie in einer grässlichen Parodie sexueller Ekstase. Ihre blauen Augen, die noch entsetzliche Panik und Schmerz verrieten, starrten blind an die Decke. Ihr kurzes blondiertes Haar klebte am Kopf vom Angstschweiß durchnässt, war es zu einem steifen Helm getrocknet. Sie war noch angezogen, ihr Rock, ein blutdurchtränktes Faltenbündel, bedeckte ihre Hüften. Ihr Unterleib lag in einer riesigen Lache geronnenen Blutes, das in die dünne, durchhängende Matratze gesickert war. Carol räusperte sich und ging näher heran. »Das ist ja verdammt viel Blut«, sagte sie.
    »Der Arzt meinte, sie sei verblutet«, sagte Merrick. »Er schätzt, dass es eine Weile gedauert hat, bis sie starb.«
    Carol kämpfte mit ihren quälenden Gefühlen und bemühte sich das zu tun, was hier ihre Aufgabe war. »Er war da und ist schon wieder weg?«
    »Ja, er war zufällig im Queensbury beim Abendessen. Wir waren gerade selbst erst hier eingetroffen.«
    »Also, was liegt vor?«, fragte sie.
    Merrick schaute in sein Notizbuch. »Sandie Foster, fünfundzwanzig, Prostituierte, vorbestraft wegen öffentlichen Sichanbietens und Drogenbesitzes. Aber bevor wir uns damit befassen … Ma’am, das Vorgehen stimmt genau mit den vier Morden überein, die vor zwei Jahren passierten, nicht lange nachdem Sie von hier weggingen.«
    »Waren alle Opfer angezogen, wie hier?«
    »Wie ich sagte, alles ist genau gleich.«
    »Na ja, vielleicht können wir die Fälle jetzt lösen.«
    Merrick und Kevin warfen sich Blicke zu. Kevin sah leicht betreten aus: »Die Sache ist die, Chefin. Wir haben sie schon gelöst.«
    »Was?«, fragte Carol.
    Merrick steckte seine Hände mit den Handschuhen in die Taschen. »Kevin und ich haben den Fall bearbeitet. Derek Tyler – er hat sich schuldig bekannt. Er ist in einer geschlossenen Anstalt.«
    »Haben wir etwa den Falschen erwischt?«
    Merrick schüttelte den Kopf und schob trotzig die Unterlippe vor. »Es bestand kein Zweifel. Die Spurensicherung hat ihn überführt. DNA, Fingerabdrücke, alles da. Derek Tyler. Er hat sich für schuldig erklärt. Hat sogar eine Art Geständnis abgelegt und behauptet, die Stimmen in seinem Kopf hätten ihm gesagt, er solle es tun. Sobald Tyler verhaftet war, hörten die Morde auf. Also ein schlagender Beweis, wenn wir noch einen gebraucht hätten. Sie haben ihn in Bradfield Moor weggesperrt, allerdings weigerte er sich, irgendetwas über die Morde zu sagen.«
    »Können wir überprüfen, ob Derek Tyler entlassen worden ist?«, fragte Carol.
    »Hab ich schon getan. Ich habe gerade dort angerufen. Tyler liegt im Bett und schläft viel besser, als er es verdient hätte. Er kann es also nicht sein.«
    »Vielleicht wurde letztes Mal etwas übersehen.«
    »Die Spurensicherung hat ihn überführt«, beharrte Merrick.
    »Vielleicht sollten wir mit Dr. Hill reden«, sagte Kevin. »Zusammenhänge zu finden ist schließlich seine Spezialität, oder?«
    »Gute Idee, Kevin«, sagte Carol. Tony beklagte sich immer, dass er bei schwierigen Ermittlungen nicht früh genug hinzugezogen wurde. Sie verließ den Raum und wählte Brandons Mobiltelefon an. Als er abnahm, fasste sie die Sachlage kurz zusammen.

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