Toedliche Worte
»Wenn man …«
»Schon gut«, sagte Carol. »Es war also noch einiges da?«
»Na ja, natürlich. Fragmente von Dateien, auch noch ein paar vollständige. Wie das Foto von Tim Golding.«
»Und können wir herausfinden, woher das kam?«
Stacey schüttelte den Kopf. »Es gibt keine Spur, und es lässt sich nicht zurückverfolgen.«
Paula öffnete den Mund, aber bevor sie anfing zu sprechen, sagte Carol hastig: »Schon gut, Paula, wir können es uns schon vorstellen. Das ist natürlich schade, Stacey.« Sie rieb sich mit zwei Fingern den Nasenrücken. Die Spur, die am Tag zuvor noch so vielversprechend ausgesehen hatte, entwickelte sich zu einer weiteren Sackgasse. »Und sein Provider? Könnte man uns dort vielleicht helfen?«
Stacey zuckte mit den Schultern. »Kommt darauf an, wann er die E-Mail bekam. Die Angestellten bei den Providern sind technisch nicht versiert, sie sind eigentlich nur Erbsenzähler«, sagte sie verächtlich. »Für sie sind nur die Rechnungen von Interesse, es kommt ihnen nicht darauf an, die Mails zurückverfolgen zu können. Die meisten behalten die Daten nur eine Woche lang. Manche einen Monat. Wenn er diesen Anhang schon länger als einen Monat hatte, ist für uns nichts drin. Und wir würden sowieso einen Gerichtsbeschluss brauchen, um die Information von ihnen zu bekommen.«
»Das heißt also, wir sind aufgeschmissen«, bemerkte Carol kurz und bündig.
Stacey strich sich die Haare hinters Ohr. Mit ihrem zufriedenen Lächeln und den mandelförmigen Augen ähnelte sie einer Katze. »Nicht unbedingt. Auf solchen Bildern ist mehr zu sehen als das, was man auf den ersten Blick erkennt. Im wahrsten Sinn des Wortes. Manchmal gibt es zusätzliche Hinweise, die dahinter stecken.«
Carol merkte auf. »Zum Beispiel Daten zum Absender?«
Stacey seufzte, schon deutlich genervt. »So einfach ist es auch wieder nicht. Man kann zum Beispiel die Seriennummer der Kamera finden, mit der das Foto aufgenommen wurde. Oder die Registriernummer der Software, mit der die Bilder bearbeitet wurden. Dann geht es darum, mit dem Hersteller oder dem Lizenzinhaber Kontakt aufzunehmen und zu ermitteln, welche Informationen sie einem geben können.«
»Das ist ja beängstigend«, sagte Paula.
»Es ist eine verdammt gute Neuigkeit«, korrigierte sie Carol. »Also – worauf warten wir noch?«
Stacey stand auf. »Es ist zeitaufwendig«, warnte sie.
»Ist ja bei allem so, oder?« Carol lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. »Wenn Sie irgendetwas brauchen, Stacey, sagen Sie Bescheid. Paula, finden Sie heraus, wer Ron Alexanders Provider ist und was man uns dort mitteilen kann. Es ist an der Zeit, Tim Golding nach Hause zu bringen.«
Das Klingeln an der Tür kam Tony gerade recht. Er schob den philosophischen Text zum Problem Geist und Körper, mit dem er sich intensiv befasst hatte, zur Seite und eilte den Flur entlang. Als er die Tür öffnete, stand Carol an seine Veranda gelehnt und hielt eine volle Plastiktüte in der einen Hand. »Sie hatten ein Essen bestellt?«, sagte sie.
»Du hast dir aber viel Zeit gelassen. Es ist mindestens vierundzwanzig Stunden her, seit ich die Bestellung aufgegeben habe«, sagte er, trat zurück und folgte ihr in den Flur. »Geradeaus zur Küche.«
Carol sah sich um und betrachtete die Holzschränke und die gekachelte Frühstücksbar. »Achtziger Jahre«, sagte sie.
»Ja? Meinst du, das ist einer der Gründe, weshalb ich es so billig gekriegt habe?«
Sie lächelte. »Möglich. Aber es scheint in gutem Zustand zu sein.«
»Alle Schubladen laufen tadellos, und das ist auf jeden Fall ein Fortschritt im Vergleich zu allen anderen Wohnungen, die ich je hatte. Also, möchtest du essen oder lieber gleich eine Führung durch den Keller?«
»Wirklich gern hätte ich ein Glas Wein. Der Tag war sehr frustrierend.«
»Alles klar. Wein haben wir da.«
Er nahm eine schon offene Flasche australischen Shiraz-Cabernet und goss zwei Gläser ein. »Auf … ich weiß nicht, worauf sollen wir trinken?«
»Dass bald Schluss ist mit dem ganzen Ärger? Für dich und mich?«
Tony hob das Glas und stieß mit ihr an. »Gut. Dass der Ärger bald vorbei ist.« Er beobachtete sie beim Trinken und bemerkte die dunklen Ringe unter ihren Augen und ihre zaghaften Bewegungen. Sie ist wirklich nicht im Einklang mit sich selbst, dachte er. »Also, möchtest du den Keller – pardon, die Souterrainwohnung sehen?«
Carol lächelte. »Warum nicht?«
Sie folgte ihm zurück in den Flur. Er öffnete eine
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