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Toedliche Worte

Toedliche Worte

Titel: Toedliche Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Tür, die aussah wie ein unter der Treppe eingebauter Schrank. Aber sie führte auf eine schmale, steile Stiege, die nur von einer nackten Glühbirne beleuchtet wurde. Dann ging Tony ihr voran in einen überraschend großen, hohen Raum mit zwei flachen, aber breiten Fenstern. »Das wäre das Wohnzimmer«, sagte er. »Es kommt ziemlich viel Tageslicht rein. Und wir könnten in die äußere Tür Glasscheiben einsetzen, wobei am Fuß der Treppe ein kleiner Vorbau trotzdem genug Sicherheit bieten würde«, fügte er eifrig hinzu. »Das habe ich den Handwerkern schon vorgeschlagen. Ich weiß, man kann es sich jetzt mit den rohen Backsteinwänden nicht richtig vorstellen, aber das wird alles mit Gipsplatten verkleidet. Und Holzböden. Es wird wirklich gut aussehen.«
    Die Größe war in Ordnung. Es wäre genug Platz da für alles, was sie brauchte, dachte Carol. Das Schlafzimmer war fast genauso groß wie das Wohnzimmer und hatte ein erstaunlich großes Erkerfenster. Carol sah sich um und konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. »Es ist nicht schlecht. Ich kann mir vorstellen, hier aufzuwachen.«
    Tony sah plötzlich verlegen zu Boden. »Gut«, sagte er. »Überleg’s dir.«
    Auf dem Weg nach oben zeigte er ihr die vor kurzem eingebaute Toilette und Dusche. Sauber, frisch, tadellos. Neu , dachte sie und wurde schon ganz aufgeregt. Eine Wohnung ohne die Geister der Vergangenheit . »Ich brauche es mir nicht zu überlegen«, sagte Carol. »Wann wird es fertig?«
    Tony grinste wie ein kleiner Junge. »Der Bauleiter schätzt, in drei Wochen. Kannst du es noch so lange in Michaels Wohnung aushalten?«
    Carol stand an die Frühstücksbar gelehnt. »Ich kann alles aushalten, wenn ich weiß, dass es ein Ende haben wird. Meinst du, du wirst mich hier unten als deine Nachbarin aushalten können?«
    »Nur wenn du versprichst, immer Milch dazuhaben.« Er zog eine Grimasse. »Mir geht sie dauernd aus.«
    Carol lächelte. »Ich werde immer H-Milch auf Lager haben.«

    Warten fällt ihm immer schwer. Besonders wenn er genau weiß, worauf er wartet. Als er heute schließlich auf die Straße hinauskam, hatte er erwartet, überall Polizei anzutreffen, die die Gasse absperrte, wo Sandie arbeitete. Er meinte, die Leute würden in Grüppchen an den Straßenecken stehen und leise über Mord und Verstümmelung reden. Und er hatte mit uniformierten Polizeibeamten gerechnet, die mit ihren Klemmbrettern herumgingen und die Passanten fragten, wo sie gewesen waren und was sie gestern Abend getan hätten.
    Er erinnert sich, wie es letztes Mal war. Ganz Temple Fields war einem vorgekommen, als hätte es eine Überdosis Amphetamine genommen. Alle quatschten wie ein Wasserfall, wie Speedfreaks, selbst die elenden Blödmänner, die normalerweise weder ihn noch sonst jemanden grüßten. So war es, bis die Bullen kamen. Dann wurde es still, als hätte jemand allen eine Decke über den Kopf geworfen.
    Das hatte er auch diesmal erwartet. Aber als er in Stan’s Café ging und wie immer sein Speckbrötchen mit einer Tasse Tee bestellte, war alles wie an jedem normalen Tag. Ein paar von den Mädchen saßen an runden, schmierigen Tischchen und ruhten eine halbe Stunde ihre Beine aus. Zwei Jungs vom Strich saßen über ihre Kaffeetassen gebeugt. Mehrere Augenpaare richteten sich fragend auf ihn, ob er wohl etwas bei sich hätte. Enttäuscht wandten sie sich ab, als er mit einem leichten Kopfschütteln verneinte. Er würde Probleme mit Big Jimmy kriegen, wenn er zu ihm ging, um die Ration für heute abzuholen. Weil er so spät dran war, würde er ihn ausschimpfen. Er hatte gehofft, die Aufregung auf den Straßen als Ausrede benutzen zu können, aber es war nichts los.
    So verdrückte er sein Frühstück und latschte zu Big Jimmys Wohnung rüber, um sich Stoff zum Verkaufen abzuholen. Glücklicherweise war der große Chef selbst nicht da, und er hatte nur mit dem durchgeknallten Junkie Drum zu tun, der zu weit über der Welt schwebte, als dass ihn interessieren würde, was andere machten. Innerhalb einer halben Stunde war er wieder an seinem Standplatz, ging seinen Geschäften nach und hoffte, dass niemand sich gefragt hatte, wo er den ganzen Morgen über gewesen war. Aber wieso hätten sie das tun sollen, die meisten lagen wahrscheinlich selbst noch flach.
    Doch jetzt ist es Abend, und immer noch regt sich nichts auf den Straßen. Ihm wird langsam mulmig. Einesteils fängt er an sich zu fragen, ob er die ganze Sache nur geträumt hat. Am liebsten würde er zu

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