Toedliche Wut
schüttelt uns die Hand. »Ich bin Ralph Tannin vom Lake-County-Sheriffbüro.«
Er stellt uns die anderen Männer vor, von denen einer dem Polizeirevier in Monongahela Falls angehört. Dann wendet er sich mir zu. »Wir möchten Ihnen dafür danken, was Sie getan haben, Chief Burkholder.«
»Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort«, erwidere ich.
»Niemand hat auch nur ansatzweise geahnt, was da draußen auf der Farm vor sich geht.« Er schüttelt den Kopf. »Ein amisches Ehepaar mittleren Alters, Herrgott nochmal!«
»Haben Sie schon mit den Jugendlichen gesprochen?«, fragt Tomasetti.
»Der Doc ist gerade bei dem Fisher-Mädchen.« Tannin zeigt auf das Zimmer direkt hinter ihm.
»Haben Sie noch irgendetwas auf der Farm gefunden?«, frage ich.
Er schüttelt den Kopf. »Nur die beiden Schädel. Aber wir sind mit der Suche noch lange nicht durch.«
Die Tür hinter ihm geht auf, und ein großer, schlanker Mann in einem weißen Laborkittel über Krankenhauskleidung mit SpongeBob-Figuren kommt heraus. Er ist jung, vielleicht dreißig, mit Bartstoppeln und großen dunklen Ringen um die Augen, die auf eine sehr lange Schicht schließen lassen. Auf seinem Namensschild steht Dr. Barton.
»Wie geht es ihr?«, frage ich.
Der Arzt sieht mich über die Brille hinweg an. »Sie ist dehydriert, erschöpft, traumatisiert, aber sie wird es schaffen.« Er blickt Tannin an. »Kommen ihre Eltern?«
Der Deputy nickt. »Jemand fährt sie her, innerhalb der nächsten Stunde sollten sie eintreffen.«
»Gut«, sagt der Arzt. »Das Mädchen braucht sie.«
»Können wir mit ihr reden?«, fragt Tomasetti.
Barton nickt zögerlich. »Wir haben ihr ein Beruhigungsmittel gegeben, machen Sie es kurz, und achten Sie darauf, dass sie sich nicht zu sehr aufregt.«
»Und was ist mit Ruth Wagler?«, frage ich.
Dr. Barton schüttelt den Kopf. »Sie wird wohl eine ganze Weile mit niemandem reden.«
Tomasetti zeigt auf die Tür von Noah Masts Zimmer. »Mit ihm müssen wir auch noch sprechen.«
»Ich werde ihn als Nächstes untersuchen«, erwidert der Arzt. »Bei ihm gelten die gleichen Regeln: Machen Sie es kurz und gehen Sie behutsam vor.« Mit den Worten dreht er sich um und verschwindet in Noah Masts Zimmer.
Tannin sieht mich an. »Wenn ich es richtig verstanden habe, waren Sie einige Zeit bei den Mädchen im Tunnel.«
»Nur ein paar Minuten, dann bin ich Hilfe holen gegangen«, antworte ich. »Und ich war dabei, als ihnen die Fesseln abgemacht wurden.«
»Ich habe gehört, Sie waren selbst einmal amisch, stimmt das?«, fragt er.
Mein Lächeln hat etwas Bemühtes. »Sie haben richtig gehört.«
»Von mir aus können Sie gerne die Befragung durchführen.« Er sieht zu dem anderen Deputy, zu Tomasetti und wieder zu mir. »Das ist dem Mädchen heute Abend sicher lieber.«
»Gern«, sage ich.
Er zeigt auf die Tür, und wir gehen zu dritt in Bonnie Fishers Zimmer. Sie liegt dünn und bleich mit einer Infusionsnadel im Arm im Krankenhausbett, macht aber schon einen deutlich besseren Eindruck als im Tunnel, wo ich sie verzweifelt und mit wildem Blick gefunden habe. Ihre frisch gewaschenen Haare sind noch feucht, und vermutlich hat ihr eine Krankenschwester beim Duschen geholfen, nachdem sie aus der Notaufnahme hierher verlegt wurde. Die einzigen physischen Merkmale der Tortur, die sie hinter sich hat, sind die Verletzungen um ihren Mund und die violetten Blutergüsse an den Handgelenken.
Doch während die körperlichen Wunden relativ geringfügig sind, ist der Schaden, den ihre Seele genommen hat, sicher groß. Bonnie Fisher hat jetzt den Gesichtsausdruck eines Opfers. In ihren Augen liegt ein Schatten, der den Verlust von Unschuld verdeutlicht, und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie die Welt noch immer für sicher und die Menschen für grundlegend gut hält.
»Hallo.« Sie schenkt mir ein zittriges Lächeln und hebt die Hand. »Sie sind hier.«
»Du kannst Katie zu mir sagen.« Ich drücke ihre Hand. »Wie fühlst du dich?«
»Als hätte ich gerade einen Tequila auf ex getrunken«, erwidert sie. »Nur dass der Hals nicht brennt.«
»Der Arzt hat uns gesagt, dass er dir ein Beruhigungsmittel gegeben hat.«
»Ich habe Angst, dass ich einschlafe.« Sie blickt aus dem Fenster in den Regen und die Dunkelheit, und ein Beben geht durch ihren Körper. »Ich habe Angst, dass ich aufwache und wieder unter der Erde bin.«
»Das wird nicht passieren, okay? Du bist hier sicher.«
Sie nickt.
»Hat der Arzt dir gesagt, dass deine
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