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Toedliche Wut

Toedliche Wut

Titel: Toedliche Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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Krieg gewonnen hat …
    Unsere Schritte machen kaum Geräusche auf dem Boden aus Erde und alten Ziegelsteinen. Tomasetti muss wegen seiner Größe leicht gebeugt gehen.
    »Wo zum Teufel führt der hin?«, fragt der Deputy.
    »Zum Schlachtschuppen«, antworte ich. »Es gibt möglicherweise noch einen weiteren Abzweig, der zur Scheune führt.«
    Ich muss daran denken, wie ich mich noch vor kurzem in der pechschwarzen Dunkelheit an den Wänden entlanggetastet habe, über Hindernisse gestolpert bin, mit dem bewaffneten Perry Mast im Nacken und dem Wissen, dass er mich töten will. Diesen Weg werde ich in meinen Albträumen wohl noch öfter zurücklegen …
    Nach etwa zwanzig Metern hören wir plötzlich Schritte. Jemand kommt auf uns zu.
    »Mist.« Tomasetti reißt die Pistole hoch. »Polizei!«, ruft er. »Stehenbleiben. Polizei!«
    Der Deputy und ich nehmen Schießhaltung ein.
    Beide Männer leuchten mit den Taschenlampen nach vorn.
    »Die Geiseln waren angekettet?«, fragt mich der Deputy.
    »Ja.«
    Vorne bewegt sich etwas. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie der Deputy darauf zielt. »Sofort stehenbleiben«, schreit er. »Polizei!«
    Instinktiv drücken wir uns an die Wand, aber Schutz gibt es hier nicht. Eine Gestalt tritt aus dem Dunkel, groß und dünn, bleiches Gesicht, dunkle Haare und dunkle Kleider.
    »Stehenbleiben!«, ruft Tomasetti.
    Ein junger Mann in zerlumpter amischer Kleidung kommt mit rudernden Armen knapp zwei Meter vor uns zum Stehen. Sein Mund ist offen, sein Blick wild. Er schreit etwas Unverständliches und sinkt auf die Knie.
    »Hände hoch!« Die Waffe immer noch auf ihn gerichtet, geht Tomasetti zu ihm hin. »Heben Sie sofort die Hände!«
    »Runter auf den Boden!«, schreit der Deputy.
    Mit Panik im Gesicht, legt sich der Mann auf den Bauch. Er murmelt ein altes amisches Gebet, das ich schon viele Jahre nicht mehr gehört habe.
    Wir gehen zu ihm hin. Tomasetti drückt ihm das Knie in den Rücken, der Deputy nimmt Handschellen vom Gürtel und legt sie dem Mann an. Ich taste ihn nach Waffen ab, stülpe seine Hosentaschen um. Als ich ihm mit zittriger Hand über die Brust streiche, spüre ich jede einzelne Rippe. Der Mann ist nur noch Haut und Knochen.
    »Er ist sauber«, sage ich, die aufsteigende Übelkeit ignorierend.
    Tomasetti steht auf, bürstet sich den Dreck von der Hose und sieht mich an. »Ist er einer der Geiseln?«
    »Die Geiseln waren Mädchen.«
    Der Deputy hilft dem keuchenden Mann, den ich auf Mitte zwanzig schätze, auf die Füße. Seine gewölbte Brust hebt sich mit jedem Atemzug.
    »Wie heißen Sie?«, frage ich. Er sieht mich an, als würde er mich nicht verstehen.
    Ich wiederhole die Frage auf Pennsylvaniadeutsch.
    »Noah«, stößt er aus. »Noah Mast.«
    Ich bin so erschüttert, dass ich einen Schritt zurück mache und Tomasetti ansehe. Er ist nicht so leicht aus der Fassung zu bringen, aber jetzt steht auch ihm der Schock ins Gesicht geschrieben.
    »Du bist Noah Mast?«, fragt er.
    » Ja .«
    Der Deputy reißt die Augen auf. »Ach du Scheiße.«
    »Der Sohn von Irene und Perry Mast?«, frage ich.
    »Sie sind meine Mamm und mein Datt .«
    Die Enthüllung bestürzt mich so sehr, dass ich einen Moment brauche, um meine Stimme wiederzufinden. »Was machst du denn hier unten?«
    »Ich wohne hier.«
    »Wie meinst du das?«
    »Hier ist mein Zuhause.«
    »Meinst du hier auf diesem Grundstück?«, frage ich. »Bei deinen Eltern?«
    Er sieht mich an, als wäre ich schwer von Begriff. »Nein. Ich wohne hier. Unter der Erde. Hier .«
    Hätte ich es nicht mit eigenen Ohren gehört, hätte ich es nicht geglaubt. Mein Verstand hat Mühe, die Information zu verarbeiten.
    »Wo sind die anderen?«, frage ich.
    Er blickt mich an. Selbst in dem schwachen Licht der Taschenlampe sehe ich, dass er nicht gesund ist. Seine Lippen sind trocken und gerissen, sein Gesicht ist so bleich, ich kann die Adern unter der Haut erkennen. Die Haare oben auf dem Kopf sind schütter und spröde.
    »Irgendwo hier, sie schreien manchmal.« Er sagt das, als wäre es ganz normal, in einem Tunnel zu wohnen und Menschen schreien zu hören.
    »Dann leben sie noch?«, frage ich.
    »Ein paar«, antwortet er emotionslos. »Die Guten.«
    Ich sehe den Deputy an. »Können Sie ihn nach oben bringen?«, höre ich mich sagen. »Ich hole die Geiseln.«
    »Sicher.« Nach einem Blick auf Tomasetti, der zustimmend nickt, sagt er zu Mast: »Gehen wir.«
    Tomasetti und ich sehen ihnen hinterher. Noah Mast wendet den Kopf und

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