Toedliche Wut
lächelt uns zu, wirkt in dem Moment wie ein verängstigter Teenager.
»Was zum Teufel ist hier nur vor sich gegangen?«, murmelt Tomasetti.
Ich sehe ihn kopfschüttelnd an. »Ich will das eigentlich gar nicht mehr wissen.«
Er nickt bedächtig, dann leuchtet er mit der Lampe in den Tunnel. »Also los, holen wir die Geiseln.«
Wir behalten unsere Waffen in der Hand. Ich sehe mich suchend nach etwas um, das ich wiedererkenne, eine Nische oder Tür, doch außer den Backsteinwänden und dem Tunnelgewölbe ist da nichts. Es kommt mir vor, als wäre ich nie hier unten gewesen.
Wir sind nur wenige Meter gegangen, als im Dunkel vor uns ein Schrei ertönt. Es ist dieselbe Stimme wie vorhin, derselbe grauenerregende Ton. Und doch erfüllt er mich mit Hoffnung, denn mindestens eine Geisel ist noch am Leben.
Tomasetti und ich laufen gleichzeitig los. Kurz darauf sehe ich die Tür.
»Das ist der Raum«, sage ich.
»Vorsicht. Er könnte einen Sprengsatz an der Tür angebracht haben.«
Doch da habe ich sie schon aufgestoßen, blicke auf zwei Mädchen am Boden. Sadie steht daneben, schirmt die Augen vor dem Licht meiner Lampe ab. Doch in dem kurzen Moment, bevor sie mich erkennt, sehe ich ihre Panik darin.
»Katie!«, schreit sie. »Du bist zurückgekommen!«
»Seid ihr verletzt?«, frage ich.
Sie schüttelt den Kopf. »Ich hab die Schüsse gehört«, sagt sie. »Ich dachte, du bist tot.« Sie vergräbt das Gesicht in den Händen und bricht in Tränen aus. »Ich dachte, wir sind als Nächstes dran.«
»Jetzt wird alles gut.« Ich gehe zu ihr und drücke sie fest an mich. Die Kette rasselt, als sie die Arme um mich schlingt. Sie weint jetzt hemmungslos, zittert am ganzen Körper. »Es ist vorbei«, sage ich. »Du kannst jetzt wieder nach Hause.«
24.
Kapitel
Zwei Stunden später wimmelt es auf der Farm von Menschen. Neben den Deputys vom Sheriffbüro und den Polizisten des hiesigen Polizeireviers sind jetzt auch Sanitäter von der freiwilligen Feuerwehr und eine Menge Trooper der Highway Patrol hier. Der SUV des Coroners parkt vor der Scheune. Auf dem Zufahrtsweg, aber hinter der Absperrung, steht ein Übertragungswagen von WCVK, dem regionalen Fernsehsender von Cleveland. Eine junge Journalistin im limonengrünen Regenmantel fährt sich mit der Hand durch die Haare, während der Kameramann die Scheinwerfer aufstellt.
Ich will gerade Tomasetti suchen gehen, als er mit düsterem Gesicht aus dem Haus tritt. Bei meinem Anblick hellt es sich auf, und er steuert auf mich zu. »Du wirst ganz nass, Chief.«
Dass ich das nicht gemerkt habe, sagt viel über meine Verfassung aus. Ich bin so froh, ihn zu sehen – aus vielerlei Gründen –, und muss mich zusammenreißen, um ihm nicht um den Hals zu fallen. »Gibt’s was Neues?«, frage ich ganz professionell.
»Es wird eine Weile dauern, bis wir genau wissen, was sich hier abgespielt hat«, sagt er. »Wie geht es den Geiseln?«
Ich habe die letzte Stunde im Tunnel bei den drei Mädchen verbracht, während man ihnen die Fesseln abmontiert hat.
»Sadie Miller und Bonnie Fisher sind in einem relativ guten Zustand, zumindest körperlich.« Ich sehe Tomasetti an und seufze. »Das dritte Mädchen ist wahrscheinlich Ruth Wagler. Sie ist in einem furchtbaren Zustand, ausgemergelt und schwach, beinahe katatonisch.«
»Ich habe die Waglers benachrichtigen lassen«, sagt er. »Ein Deputy holt sie mit dem Wagen in Sharon ab und bringt sie hierher.« Er hält inne. »Hast du schon mit der Familie von Sadie Miller gesprochen?«
»Ich hab Glock angerufen und ihn zur Farm meiner Schwester geschickt. Sie waren … na ja, überglücklich. Und sehr dankbar.« Ich grinse. »Schreiben natürlich das Verdienst Gott zu.«
»Ah … das traurige Schicksal eines jeden Polizisten.«
Wir beobachten, wie ein Krankenwagen wegfährt, und ich muss an die Tote denken, die ich gefunden habe. »Wurden noch mehr Leichen entdeckt?«
»Ein Deputy hat im Schweinestall Knochen gefunden«, sagt er. »Zwei Schädel.«
»O Gott.« Mich schaudert, ich will mir nicht vorstellen, was das bedeutet.
»Wir werden das ganze Grundstück absuchen. Der Sheriff schickt Spezialisten mit Leichensuchhunden.«
Ich frage mich, ob wir jemals die ganze Geschichte – und Hintergründe – erfahren werden. »Hast du mit Noah Mast gesprochen?«
Er nickt. »Zusammen mit einem der Trooper, während wir auf den Krankenwagen gewartet haben. Der Junge ist in einem schlimmen Zustand, komplett verwirrt. Weiß nicht einmal,
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