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Toedliche Wut

Toedliche Wut

Titel: Toedliche Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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gesagt, warum er dich festhält?«, frage ich. »Warum du dort unten leben musst?«
    »Er hat zu uns gesagt, wir wären da, um Buße zu tun und unsere Sünden zu beichten. Dass er unsere Seelen retten will.« Sie starrt mich entsetzt an, als könne sie nicht glauben, was sie gerade gesagt hat. »Ich glaube, er ist verrückt«, flüstert sie.
    »Ich glaube, du hast recht.« Ich schlage mein Notizbuch zu und stecke es in die Tasche. »Jetzt ruh dich aus.«
    * * *
    »Mast hat also mit dem Wagen Kontakt hergestellt und ihn entweder als Waffe benutzt oder einen Unfall simuliert. Dann hat er sie betäubt, um sie wehrlos zu machen, im Kofferraum abtransportiert und in den unterirdischen Raum gebracht.«
    Tomasetti, Deputy Tannin und ich stehen vor Noah Masts Zimmertür und bereiten uns auf das Gespräch mit ihm vor.
    »Um ihre Seelen zu retten«, fügt Tannin angewidert hinzu.
    Tomasetti blickt mich an, und er stellt die Frage, die mich schon von Anfang an umtreibt: »Aber wie hat er von diesen Teenagern erfahren? Woher wusste er, dass sie aufsässig waren? Die Mädchen haben hundert Meilen voneinander entfernt gewohnt, und die Amischen benutzen nun einmal kein Telefon. Wie also hat er sie ausfindig gemacht?«
    »Er war Diakon«, erwidere ich.
    Tannin nickt. »Ich wusste, dass Mast irgendeine Funktion in der Gemeinde innehatte.«
    »Ist das von Bedeutung?«, fragt Tomasetti.
    »Der Diakon erfährt für gewöhnlich, wer in einer Gemeinde Probleme macht«, erkläre ich. »Er wird vom Bischof in den jeweiligen Kirchendistrikt geschickt, um herauszufinden, wer die Sünder sind.«
    »Dann hat er also aufgrund seiner Stellung in der Kirche erfahren, wer die Regeln bricht«, sagt Tomasetti. »Für ihn waren die Teenager Missetäter.«
    »Dabei waren sie noch nicht einmal getauft«, sage ich.
    »In seinem Wahnsinn hat er wahrscheinlich gedacht, das sei unwichtig. Er hat geglaubt, die Rettung ihrer Seelen selbst in die Hand nehmen zu müssen, christliche Gebote hin oder her.«
    »Ein besseres Motiv für die Taten werden wir wohl kaum finden«, bemerkt Tannin.
    »Morgen frage ich den Bischof, ob Mast tatsächlich ein ordinierter Diakon war«, sage ich.
    Tannin zeigt auf die Tür von Noah Masts Zimmer. »Vielleicht kann ja sein Sohn ein bisschen Licht in das Dunkel bringen.«

25.
    Kapitel
    Beim Betreten des Zimmers beobachtet Noah Mast uns misstrauisch wie ein Tier, in dessen Höhle Jäger eindringen. Er hat ein Krankenhaushemd an. Die klare Flüssigkeit, die neben seinem Bett am Infusionsständer hängt, tropft stetig in seinen Arm. Unter der Bettdecke, die er bis zum Bauch hochgezogen hat, zeichnen sich seine knorrigen Beine und Knie ab. Seine Hände sind sauber, aber voller Schorf, und seine Haut ist so bleich, dass die blauen Adern durchschimmern. Sein Anblick erinnert mich an Bilder von magersüchtigen Teenagern.
    »Hallo Noah.« Tomasetti bleibt etwa einen Meter vor seinem Bett stehen. »Wie fühlst du dich?«
    »Fein.« Seine anthrazitfarbenen Augen sind glasig und tiefliegend wie die eines alten Mannes. »Ich verstehe nur nicht, was die ganze Aufregung soll.«
    Tannin lehnt sich an die Wand neben dem Bett und verschränkt die Arme. Ich stelle mich neben ihn. Wir überlassen Tomasetti das Feld.
    »Ich heiße John«, sagt er und zeigt Noah seine Dienstmarke. »Ich bin bei der Polizei.«
    »Stecke ich in irgendwelchen Schwierigkeiten?«
    »Ich bin nur hier, um dir ein paar Fragen zu stellen.«
    Noahs Blick huscht von mir zu Tannin und zurück zu Tomasetti. »Wo sind meine Mamm und mein Datt ?«
    »Ich möchte mit dir über deine Eltern reden, aber zuerst müssen wir ein paar Fragen klären.« Tomasetti lässt sich auf dem Stuhl neben dem Bett nieder, stützt die Ellbogen auf die Knie. »Stimmt es, dass du in einem unterirdischen Raum unter der Farm deiner Eltern gewohnt hast?«
    » Ja .«
    »Und wie lange schon?«
    Noah blickt aus dem regennassen Fenster, als würde er am liebsten aus dem Bett steigen und einen Sprung durchs Glas machen. »Ich bin mir nicht sicher. Lange, glaube ich. Ich hatte keine Möglichkeit, die Zeit zu messen.«
    »Wie alt warst du damals?«
    »Achtzehn.«
    »Und wie alt bist du jetzt?«
    »Siebenundzwanzig.« Er lächelt zaghaft. » Mamm hat mir zum Geburtstag immer einen deutschen Schokoladenkuchen geschenkt.«
    Neben mir schnappt Tannin nach Luft, und ich bin nicht minder entsetzt. Es ist unvorstellbar, dass seine Eltern ihn neun Jahre lang dort unten im Tunnel festgehalten haben.
    »Haben sie dich

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