Toedliche Wut
reserviert«, sagt er. »In dem alten Hotel am Fluss.«
»Das Petry«, sage ich langsam. »Es ist mir beim Vorbeifahren aufgefallen.«
»Ich dachte, wir zwei könnten eine kleine Auszeit gebrauchen.«
Obwohl wir uns schon mehrere Jahre kennen, verunsichert es mich noch immer, dass ich ihn so sehr begehre. Dass mich das ihm gegenüber verletzbar macht. Dass ich meinen eigenen Bedürfnissen ausgeliefert bin und wir hier sitzen, als wäre das alles ganz normal.
Ich strecke den Arm aus und nehme seine Hand. Er sieht mich überrascht an, als ich ihn zu mir hinziehe, mich über den Tisch beuge und ihm einen Kuss gebe. Er riecht nach Kaffee und Aftershave, seine Lippen sind warm und fest, und ich weiß, dass ich mehr will, spüre es tief in meinem Inneren.
Nicht zum ersten Mal frage ich mich, wohin diese Beziehung uns führen wird. Ob zwei Menschen mit so viel Gepäck trotzdem etwas Gutes zustande bringen können – ob unsere Dämonen es zulassen. Und ich frage mich auch, wie lange dieses prekäre Glück halten wird.
Ich löse meine Lippen von seinen, doch ich bleibe seinem Gesicht ganz nahe, lasse seine Hand nicht los. »Du machst mich glücklich«, sage ich.
Er starrt mich an wie jemanden, der ihn unerwartet vor ein Rätsel stellt. Es würde zu ihm passen, jetzt eine flapsige oder krude Bemerkung zu machen, aber das tut er nicht.
»Ist alles in Ordnung?«, stammele ich, von seinem Schweigen irritiert.
»Der Kuss hat mir sehr geholfen.«
»Vielleicht ist dieser ganze Beziehungskram doch nicht so kompliziert, wie wir denken.«
Seine Mundwinkel gehen nach oben. »Du bist kompliziert. Ich bin verkorkst. Das ist wahrscheinlich keine gute Kombination.«
Ich will mich zurück auf die Bank setzen, doch er hält meine Hand fest, zieht mich zu sich und küsst mich nun seinerseits. Hier in der Öffentlichkeit ist das vollkommen unangebracht, doch es fühlt sich gut an, und ich bin zu berauscht, um mich zu lösen. Kurz darauf lehnt er sich zurück und betrachtet mich. Es ist, als könne er all die prekären Orte in meinem Inneren sehen – die ich mit großem Zeitaufwand zu verbergen suche, besonders vor ihm.
Ich will ihm meine Hand entziehen, doch er hält sie weiter fest, ist mir so nahe, dass ich seinen warmen Atem im Gesicht spüre. Seine dunklen Augen fixieren mich, und eine Sekunde lang scheint es, als läge nichts Trennendes zwischen uns – nicht meine Geheimnisse, nicht sein Gepäck.
Und schlagartig wird mir klar, was passiert ist, was ich zugelassen habe. Die Erkenntnis lässt mich taumeln. Macht mir Angst. Panik schließt sich wie eine Stahlhand um meine Lungen. Ich spüre, wie mein Mund aufgeht, doch wage ich es nicht, die Worte zu sagen. Aber das Tohuwabohu in mir kann ich nicht ignorieren.
Ich frage mich, ob die Wahrheit mir ins Gesicht geschrieben steht. Ob er sie in meinen Augen sehen kann oder meine Hand mich verrät, die hart und feucht in seiner liegt.
»Tomasetti …«, setze ich an, doch für mehr fehlt mir der Atem, und meine Stimme verliert sich.
»Ich weiß«, flüstert er. »Ich weiß.«
26.
Kapitel
Ganz gleich, wohin ich reise oder wie lange, ob beruflich oder privat oder irgendetwas dazwischen, nach Hause zu kommen ist immer etwas Besonderes. Am späten Vormittag fahre ich auf meinen Parkplatz vor dem Polizeirevier in Painters Mill und stelle den Motor ab. Einen Moment lang bleibe ich einfach sitzen, betrachte die Fassade des Gebäudes, die hässlichen roten Ziegelsteine und die Glastür aus den 1970er Jahren. Ich sehe das Fenster meines Büros mit der gesprungenen Scheibe, die verbogenen Lamellen der Jalousie und die Blätter der Birkenfeige, die sich dazwischen durchgeschlängelt haben.
Doch nicht die sichtbaren Dinge vermitteln mir dieses starke Gefühl von Heimkehr, sondern das Wissen, was hinter dieser Eingangstür liegt – und die Gewissheit, ein Teil davon zu sein. Lois’ Cadillac steht ein paar Plätze weiter weg, und ich sehe auf den ersten Blick, dass ihr Mann – wie immer – einen Großteil des Wochenendes damit verbracht hat, ihn auf Hochglanz zu polieren. Glocks Wagen parkt knapp einen Meter entfernt, ist gewachst und mit militärischer Präzision innerhalb der Markierung platziert. Mona ist auch noch da, vier Stunden nach Dienstende, und nicht zum ersten Mal frage ich mich, ob sie auch noch ein Privatleben hat. Keine Anzeichen von Skid und Pickles, doch sie sind auf dem Weg hierher. T. J. hat seinen Dienst bereits beendet, aber ich werde ihn morgen sehen. Noch
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