Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
zurück in die Kiste, die er gemeinsam mit dem anderen Schuhkarton wieder auf dem Hängeschrank verstaute.
Erneut warf Arthur einen Blick auf seine Uhr. Nur zehn Minuten waren vergangen, kein Grund zur Eile also. Er überlegte kurz, ob er den Ofen auf kleinster Stufe weiterbrennen lassen sollte, entschied sich aber dagegen. Keine Risiken, so lautete eine seiner Devisen. Er schlief nicht einmal bei eingeschaltetem Ofen, dabei war das Heizsystem seines Wohnwagens idiotensicher: Die Zuluft wurde durch eine separate Bodenöffnung angesaugt, außerdem gab es überall Bodenschlitze, meist hinter den Möbeln verborgen. Das Gleiche oben, wo die Abluft durch eine runde Öffnung, den sogenannten Pilz, entweichen konnte. Und auch hier gab es Schlitze oberhalb der Wandschränke. Diejenigen, welche hinaus auf die offene Grünfläche zeigten und von aufmerksamen Passanten gesehen werden konnten, hatte Arthur verschlossen. Ein wild wuchernder Holunderbusch und ein Haselnussstrauch bedeckten zwar eine große Fläche der Außenwand, trotzdem konnte man den Wohnwagen noch gut erkennen. Die Eingangstür lag auf der Rückseite und war nur über einen schmalen Fußpfad um den Wagen herum zu erreichen. Man konnte also nicht ohne weiteres feststellen, ob sich jemand im Inneren befand, kein Rauch, kein Licht – so sollte es sein. Den Nachbarn, so wusste Arthur, war es zwar ein Dorn im Auge, wie er das Grundstück hergerichtet hatte, doch das störte ihn herzlich wenig. Er pflegte die Grünanlage gerade ausreichend gemäß den Statuten der Grünflächenordnung. Der bescheuerte Verein von Kleingärtnern würde ihm nicht ans Bein pinkeln können, sosehr es sie auch wurmte. Spießer, Möchtegerngärtner, die sich auf ihrer achtzig Quadratmeter großen Parzelle ein Stück heile Welt schaffen wollten auf der einen Seite, und auf der anderen Seite ein altes Lehrerehepaar, dessen Tomatenstauden und Himbeerranken wie mit Lineal und Wasserwaage gemessen wuchsen. Nicht ohne Grund hatte Arthur auf der gesamten Länge seines Zauns Efeu und Liguster wuchern lassen.
Er knackste mit den Knöcheln seiner Finger und ging zum Kleiderschrank. Etwas Dunkles sollte es sein, am besten schwarz, passend zur Nacht und passend zu dem, was er vorhatte.
Sonntag, 15.20 Uhr
S tefan Löbler runzelte die Augenbrauen, dabei zogen sich vier breite Falten über seine Stirn. Wer zum Teufel läutete sonntagnachmittags unangemeldet an der Tür? Eigentlich müsste man in einem gehobenen Viertel wie diesem davon ausgehen dürfen, nicht unangemeldet gestört zu werden, dachte er missmutig, als er über den Marmorboden in die Eingangshalle schlurfte. Die exklusiven Villenviertel und Wohnanlagen der Reichen in den USA kamen ihm in den Sinn, Satellitensiedlungen in den ruhigen Randbezirken mittelgroßer Städte, abgetrennt durch Zaunanlagen und mit einem eigenen 24-Stunden-Wachservice. Beneidenswert, seufzte er in Gedanken, als er das Terminal der Schließanlage erreichte, denn dort gibt es sicher keine Hausierer wie hierzulande. Doch das Display zeigte etwas ganz anderes, und verwundert öffnete Löbler die Tür.
»Guten Tag, Herr Löbler«, sagte ein schlanker Uniformierter förmlich und nickte. Einen Schritt hinter ihm stand eine Polizeibeamtin, ebenfalls ausstaffiert mit Uniform, Mütze und Waffe im Holster.
»Tag«, entgegnete der Hausherr knapp. »Wird das jetzt etwa zur Gewohnheit?«
»Sie meinen, weil unsere Kollegen unlängst, am zweiten Weihnachtsfeiertag, schon einmal bei Ihnen waren?«, kam sogleich die Gegenfrage, und bevor er etwas sagen konnte, fuhr der Uniformierte fort: »Herr Löbler, dann können Sie sich vielleicht auch den Grund unseres Besuchs denken?«
»Genauso wenig wie damals.«
»Gut. Ich frage anders: Ist Ihre Frau zu Hause?«
»Nathalie? Na klar, sie wollte sich gerade ein Bad einlassen, möchten Sie vielleicht nachsehen?« Löbler klang ironisch und gab sich keinerlei Mühe, freundlich zu sein.
»Meine Kollegin, wenn Sie gestatten.« Der Polizist nickte seiner Partnerin zu. Dann wandte er sich wieder an den Hausherrn: »Wir beide bleiben derweil hier unten, und vielleicht möchten Sie mir erklären, warum wir erneut zu Ihnen gerufen wurden.«
Es klang nicht wie eine Frage, und auch der Beamte wirkte nicht, als wollte er freundlich oder zumindest höflich sein. Offenbar missfiel ihm diese Art des Einsatzes ebenso wenig.
»Hören Sie«, setzte Stefan Löbler an, »ich kann Ihnen nichts weiter sagen, als dass Sie mal wieder völlig umsonst
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