Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
allem, wenn man längs schneidet und der Tod nur eine Frage von Minuten ist.«
»Schon«, nickte Julia, »aber würdest du als Mörder deine Frau im eigenen Haus um die Ecke bringen? Noch dazu mit so einem Veilchen, wo jeder gleich weiß, dass du sie verprügelt hast?«
»Nein, da hast du allerdings recht. Also müssten wir uns, wenn wir einen Mörder suchen, eher außerhalb des Haushalts umsehen. Oder aber, wenn wir schon beim Hypothesenverdrehen sind, der Mörder ist so gerissen, dass er genau diese Gedanken von uns kennt. Das spräche dann wieder für den Mann. Verdammt«, brummte er, »als hätten wir nicht schon genug Dinge zum Kopfzerbrechen.«
»Es ist ja auch weder die Zeit noch der Ort für vorschnelle Theorien«, gab Durant zurück, wenngleich sie ähnliche Gedanken hegte.
»Frau Durant?«, klang in diesem Moment eine Stimme auf, und Julia vermutete, dass sie der Kollegin der Spurensicherung gehörte, die ihnen in der Eingangshalle begegnet war. Sie fuhr herum und blickte in die dunklen Augen einer südländischen, vielleicht sogar arabischen Frau.
»Ja?«
»Herr Löbler ist eingetroffen. Er möchte nach oben kommen. Vielleicht ist es besser, Sie gehen schnell zu ihm. Er ist ziemlich«, sie fischte nach dem richtigen Wort, »aufgebracht.«
»Kümmern wir uns also erst um Löbler«, entschied Julia Durant, als sie gerade aus dem Badezimmer treten wollten. Von außen drangen erregte Stimmen, und wie aus dem Nichts stürzte ein gut gebauter Mann in den Raum, er war fast zwei Köpfe größer als die Kommissarin, doch bereits im nächsten Augenblick sackte er am Rand der Wanne in sich zusammen.
»Oh Gott, Nathalie, Nathalie«, schrie er, erst hysterisch, dann wiederholte er ihren Namen immer leiser werdend noch drei-, viermal. Um ein Haar wäre er seiner toten Frau um den Hals gefallen oder hätte sie mit beiden Armen umschlungen, doch Hellmer hinderte ihn reflexartig daran, indem er seine Arme von hinten über Löblers Schultern legte und sie vor dessen Brust verschränkte.
»Herr Löbler, es tut mir leid«, sagte er, während dieser sich zuerst freizukämpfen versuchte, dann aber nach und nach die Spannung aus dem Körper ließ. Bald war Löbler kaum mehr als ein schluchzendes Häufchen Elend, und während Hellmer seine Umklammerung stückweise lockerte, beobachtete Julia Durant die Szene argwöhnisch. Etwas passte nicht ins Bild, sie war sich nur noch nicht sicher, was.
»Bitte, lassen Sie uns nach unten gehen«, sagte sie, und tatsächlich erhob sich der Ehemann, warf noch einen traurigen Blick auf seine Frau und trottete aus dem Badezimmer. Seine Hand kramte ein Stofftaschentuch aus seinem Jackett, er schneuzte und rieb sich die Augenwinkel trocken. Er muss direkt aus dem Büro gekommen sein, dachte Julia, als sie ihm die Treppe hinab folgte. Teurer Maßanzug, zumindest sah er nicht nach Stange aus, dunkelbraun mit feinen Nadelstreifen, darunter ein cremeweißes Hemd mit aufgeknöpftem Kragen. Einzig die Krawatte fehlte.
»Wohin?«, fragte Löbler leise. Sie zuckte unentschlossen die Schultern: »Ins Wohnzimmer vielleicht? Oder haben Sie hier im Haus ein Büro? Entscheiden Sie, wo Sie sich am wohlsten fühlen.«
» Wohl fühle ich mich hier nirgendwo«, erwiderte Löbler zerknirscht und deutete dann in Richtung der weißen Couchgarnitur. Julia nickte und lächelte.
»Herr Löbler«, begann sie, nachdem dieser in einem Sessel Platz genommen hatte und sie und Hellmer sich nebeneinander auf das gegenüberliegende Sofa gesetzt hatten. »Sie können uns glauben, wir bedauern Ihren Verlust und werden Sie nicht länger behelligen als unbedingt notwendig.«
»Was möchten Sie überhaupt von mir?«
»Uns interessiert natürlich vor allem die Frage, ob Ihre Frau sich so etwas hätte antun können und, falls ja, warum sie das getan haben könnte.«
»Sie meinen …«
»Ja«, nickte Julia. »Sie haben es ja selbst gesehen, es deutet im Moment auf Suizid hin.«
»Wieso deutet? « Löblers Gegenfrage kam leise, aber den Kommissaren entging nicht eine gewisse Anspannung.
»In diesem Stadium der Ermittlung schließen wir keine Möglichkeiten aus«, erklärte Hellmer, nachdem Julia diesem zugenickt hatte. »Wir prüfen in alle Richtungen, von daher ist es zum Beispiel auch wichtig zu erfahren, ob Ihre Frau Feinde hatte.«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Es müssen ja keine offenen Feindschaften gewesen sein«, nahm Julia Hellmers Gedanken auf, »es kann ein schwelender Konflikt gewesen sein, eine
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