Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
ausgelegten Weg entlanggingen. Die Bezeichnung Villenviertel war nicht ganz zutreffend gewesen, sicher, es war eine Straße voller eleganter, geräumiger Häuser, doch die exklusiven Villen befanden sich in einem anderen Teil des Ortes.
»Bin mal gespannt, auf welche düsteren Geheimnisse wir hinter diesen Mauern stoßen werden«, gab Julia Durant zurück und verzog den Mund. Es war kein Geheimnis, dass sich die Kommissarin in der Welt der Reichen und Mächtigen alles andere als wohl fühlte, denn viel zu oft hatte sie in ihrem Berufsleben erfahren müssen, dass es irgendwo im Justizsystem eine Stelle zu geben schien, in der Geld und Einfluss eine unfaire Rolle spielten. Sie mochte sich irren, aber jenes ungute Gefühl beschlich Julia stets, wenn sie sich im Laufe einer Ermittlung in diese Welt begeben musste.
»Ich auch«, nickte Hellmer, der während der gesamten Fahrt kaum ein Wort gesprochen hatte. »Finden wir’s raus.«
In dem geräumigen, hell eingerichteten Eingangsbereich begegneten Julia und Frank zwei Personen in Schutzkleidung, ein Mann und eine Frau.
»Treppe hoch, Sie können’s nicht verfehlen«, sagte die Frauenstimme.
»Danke.«
Die breite, in einem Viertelbogen nach oben führende Treppe war aus glattem Marmor. Auf jeder Stufe war ein gummierter Streifen angebracht, um die Gefahr des Abrutschens zu mindern. Julia ließ ihren Blick umherwandern: ein geschmackvoll eingerichtetes Haus, wenn auch für zwei Personen definitiv zu groß. Sie fühlte sich ja bereits in ihrer geräumigen Stadtwohnung verloren, obgleich diese weder über zwei Etagen noch über eine Eingangshalle verfügte. Wozu brauchte man drei Schlafzimmer, wenn man nicht einmal Kinder hatte, sinnierte sie weiter, dann jedoch unterbrach Andrea Sievers’ Stimme ihre Gedanken.
»So schnell sieht man sich wieder«, ertönte es hinter dem Mundschutz, und die Augen und die links und rechts freiliegenden Wangenpartien wiesen auf ein herzliches Lächeln hin. Andrea trat aus dem Badezimmer und streifte sich erst die Handschuhe, dann den Mundschutz ab, stieg über eine Plastikplane und entledigte sich ihrer hellblauen Gamaschen. »Wenn das in dem Tempo weitergeht, habe ich zu Ostern die hundertste Leiche auf dem Tisch«, keuchte sie, noch immer gebückt. »Na ja, umso besser zu wissen, dass ihr beide jetzt übernehmt.«
»Dürfen wir schon rein?«, erkundigte sich Julia, und die Rechtsmedizinerin nickte.
»Nur zu. Ihr müsst nicht mal mehr Schutzkleidung anziehen, eigentlich unfair, aber gut.« Sie folgte den beiden ins Badezimmer. Julia schätzte den Raum auf über zwanzig Quadratmeter. Die Einrichtung im römischen oder griechischen Stil – Säulen mit Blumen, Terrakottafliesen, hellen Creme- und Erdfarben – erinnerte sie ein wenig an den Stil ihres eigenen Bades. Nicht, dass Julia ein Bad derart einrichten würde, aber es hatte nun mal zur Wohnung dazugehört. Hier, in der Villa Löbler allerdings, war alles noch um einiges pompöser, und wahrscheinlich hatte allein das Waschbecken mehr gekostet als Julias Badewanne samt Armaturen.
Nathalie Löbler lag in der ovalen Wanne, das Wasser war eingelassen bis zum Überlauf, der etwa fünfzehn Zentimeter unterhalb des Randes lag. Kein Schaum und keine Luftblasen lagen auf der stillen Oberfläche des rosig eingefärbten Wassers. Der wohlproportionierte nackte, bleiche Körper ruhte bis zu den Brüsten unter Wasser. Die beiden Arme lagen ebenfalls ganz entspannt, einer leicht angewinkelt mit der Hand über der Scham, der andere mit der Handfläche nach oben zwischen Innenwand und Oberkörper. Der Kopf war nach vorne gebeugt und schien auf dem Kinn zu ruhen. Wäre das Badewasser nicht rot eingefärbt gewesen, so hätte man meinen können, die Frau sei beim Baden eingeschlafen und der müde Kopf wäre seitlich nach vorn gefallen. Julia überlegte kurz, wie viele Liter Blut wohl ausgetreten sein mussten, um das Wasser derart zu verfärben. Doch sie hielt sich nicht damit auf, denn spätestens morgen würde Andrea Sievers ihr diese Frage bis auf den Milliliter genau beantworten können. Was Julia erst bei genauerem Hinsehen bemerkte, war das dunkel unterlaufene Auge und die geschwollene Oberlippe, denn zum Teil war die abgewandte Gesichtshälfte der Toten von herabhängenden Haaren verborgen.
»Ich weiß von Pulsadern und Prügeln«, wiederholte die Kommissarin knapp die Informationen, die man ihr am Telefon gegeben hatte. Dabei wandte sie ihren Blick Andrea zu und hob die
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