Toedlicher Gesang
Hand. Erwartungsvoll schaute sie sie an. „Der Teufel“ stand auf der Karte,
eine gruselige Darstellung von einem komischen Wesen, das wohl den Teufel
darstellen sollte. Dascha kicherte los. „Ohman Cindy, geht es dir gut? Zieh
doch deine komische Freakshow woanders ab“, sagte sie dann abfällig. Cindy
schaute hilflos Emily an. „Komm schon, glaub mir doch bitte! Ich weiß, dass ihr
es auch gesehen habt! Das Unheil, die Bedrohung!“ „Wir haben einen
Abschlussstreich gesehen, Cindy“, sagte Dascha und wollte sich wegdrehen. Da
griff Cindy in die Brusttasche ihrer Schuluniform und holte etwas heraus, was
sie Dascha direkt vor die Nase hielt. Dascha wurde blass. Es war eine Feder,
wie die, die gestern auf dem Strandabschnitt lagen. „Fangt an zu glauben. Ihr
habt es gesehen. Und meine Karten auch. Schaut hinter den Schein“, sagte Cindy,
drehte sich um und ging wieder. Dascha und Emily schauten erst sich gegenseitig
an, dann die Feder, die Dascha an sich genommen hatte. Die Feder war lang und
schmal. Cindy hatte sie geknickt, um sie in ihrer Brusttasche unterbringen zu
können. Sie leuchtete in einem satten Dunkelgrün. „Also, von einer Ente ist die
bestimmt nicht“, stellte Emily fest. „Mir wird aber bei dem Gedanken, dass das
gestern kein Streich gewesen sein könnte, irgendwie schlecht.“ Emily schaute
ihre Freundin an. „Mir auch.“ Bevor die beiden weiterreden konnten, ertönte die
Schulglocke. „Wir können nachher auf unserem Zimmer mal schauen, was das für
eine Feder ist. Ich bin mir sicher, es gibt eine ... weltliche Erklärung“,
sagte Dascha und ließ die Feder in ihrem Kniestrumpf verschwinden.
Emily und
Dascha hatten beide den Theaterkurs belegt. Zugegeben, Dascha hatte ihn belegt,
weil Kyle diesen ebenfalls belegt hatte, und Emily war aus Solidarität
mitgekommen. Die besten Schauspielerinnen waren sie beide nicht, auch wenn
Dascha immer noch darauf hoffte, einmal in einem Stück die weibliche Hauptrolle
belegen zu dürfen. Kyle war nämlich ein hervorragender Schauspieler, der bei
jeder Aufführung die männliche Hauptrolle spielte. Als die beiden die riesige
Aula betraten, stand Kyle schon auf der Bühne und unterhielt sich mit der Lehrerin.
Er lächelte kurz in Richtung der beiden Mädchen und Dascha schmolz dahin. Bis
ihr auffiel, dass das Lächeln nicht ihr, sondern Ligeia galt, die hinter ihr
den Raum betreten hatte und nun an ihr vorbei ebenfalls zur Bühne ging. Dascha
blieb stehen und drehte sich zur Wand, wo mehrere gerahmte schwarz-weiße Bilder
von Schulaufführungen hingen, damit niemand ihr wütendes Gesicht sehen konnte.
Prompt wurde sie von der Lehrerin mit strengem Unterton zur Bühne gerufen.
„Nicht mein Glückstag“, murmelte Dascha und schlurfte lustlos hinter Emily her.
Als alle anwesenden Schüler sich im Kreis auf die Bühne gestellt hatten, holte
die Lehrerin mehrere Stapel Papier hervor. „Meine lieben fleißigen und auch
nicht so fleißigen Schüler, ich habe hier ein neues Stück für euch. Ich bin mir
sicher, ihr werdet es wunderbar aufführen! Es ist „Die kleine Meerjungfrau“,
allerdings überarbeitet, dass es eher Richtung „Arielle die Meerjungfrau“ geht.
Happy Ends sind nun mal einfach schöner! Ich habe hier zwei Rollen mit Sologesang,
die kleine Meerjungfrau und der Prinz, dem sie so verfallen ist. Die anderen
werden im Chor singen. Wer Interesse an einer Solorolle hat, meldet sich jetzt
bitte, dann bekommt er einen Text und trägt ihn vor. Danach werde ich
entscheiden. Freiwillige vor?“ Natürlich trat Kyle, der nicht nur ein guter
Schauspieler, sondern auch ein guter Sänger war, vor. Die anderen anwesenden
Jungen wussten, dass sie keine Chance hatten, blieben also gleich stehen. Mit
dem Gedanken, Kyle am Ende des Stückes küssen zu können, trat Dascha ebenfalls vor,
zu ihrem Ärger aber auch Ligeia und zwei weitere Mädchen. Nickend verteilte die
Lehrerin einen Liedtext an die Mädchen und schickte sie zum Üben in jeweils einzelne
Ecken des Raumes. Emily kam mit Dascha mit, behielt aber Ligeia im Auge.
Während die Mädchen und Dascha übten, saß Ligeia still in ihrer Ecke und
lächelte vor sich hin.
Als Erster
trug Kyle seinen Part vor. Sein angenehmer Gesang ließ die Mädchen dahinschmelzen
und handelte ihm Applaus von der Lehrerin ein. Auch würde er mit seiner graden
Haltung, seinem freundlichem Auftreten und seinem guten Aussehen einen guten
Prinzen abgeben. „So, wer wird nun die Prinzessin zu diesem Prinzen?“,
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