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Tödlicher Irrtum

Tödlicher Irrtum

Titel: Tödlicher Irrtum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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wohnte ich in der Wohnung eines Freundes, der zu der Zeit auf einer Seereise war. Er gestattete mir, sein Auto zu benutzen, das in einer Privatgarage stand. Ich beabsichtigte, am Abend des 9. November nach London zurückzufahren; am Nachmittag besuchte ich meine alte Kinderfrau, die in einem kleinen Häuschen in Polgarth lebt, etwa sechzig Kilometer westlich von Drymouth.
    Obwohl sie sehr alt und geistig nicht mehr ganz auf der Höhe ist, erkannte sie mich sofort wieder und freute sich sehr, mich zu sehen. Sie hatte sogar in der Zeitung von meiner bevorstehenden Polarexpedition gelesen. Ich blieb nicht lange dort, um sie nicht zu ermüden, und da es noch ziemlich früh war, entschloss ich mich, nicht auf dem direkten Weg nach Drymouth zurückzufahren, sondern dem alten Pfarrer Peasmarsh in Redmyn einen Besuch abzustatten und einen Blick in seine umfangreiche Bibliothek zu werfen, die viele seltene Bücher enthält.
    Der alte Herr besaß kein Telefon, und so musste ich es dem Zufall überlassen, ob ich ihn zu Hause antreffen würde. Ich hatte Pech – das Haus war verschlossen und verriegelt. Ich verbrachte einige Zeit in der Kathedrale, bevor ich über die Hauptstraße zurück nach Drymouth fuhr. Ich hatte reichlich Zeit, um mein Gepäck abzuholen und das Auto in die Garage zu bringen, bevor ich in den Zug nach London stieg. Auf dem Weg nach Drymouth hielt ich an, um, wie ich Ihnen bereits erzählte, einen unbekannten jungen Mann mit in die Stadt zu nehmen.
    Als ich auf dem Bahnhof ankam, stellte ich fest, dass ich noch Zeit hatte, mir Zigaretten zu kaufen. Ich verließ den Bahnhof, und als ich im Begriff war, die Straße zu überqueren, bog ein Lastwagen in voller Fahrt um die Ecke und warf mich zu Boden.
    Nach Aussagen von Passanten stand ich sofort wieder auf; ich benahm mich ganz normal und schien nicht verletzt zu sein. Ich sagte, ich müsste einen Zug erreichen, und eilte zurück zum Bahnhof. Als der Zug in Paddington einfuhr, war ich bewusstlos und wurde von einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht. Dort stellte man fest, dass ich eine Gehirnerschütterung erlitten hatte – die Reaktion darauf soll sich häufig erst nach einiger Zeit einstellen.
    Als ich ein paar Tage später wieder bei Bewusstsein war, konnte ich mich weder an den Unfall noch an meine Reise nach London erinnern. Ich wusste nur, dass ich auf dem Weg nach Polgarth gewesen war, um meine alte Kinderfrau zu besuchen; danach – völlige Leere. Es bestand kein Grund anzunehmen, dass die Stunden, an die ich mich nicht erinnern konnte, irgendwelche Bedeutung haben könnten. Weder ich noch irgendjemand sonst wusste, dass ich an jenem Abend über die Redmyn-Drymouth-Straße gefahren war.
    Ich musste England bald danach verlassen. Man hatte mir absolute Ruhe verordnet, ich durfte nicht einmal Zeitungen lesen. Vom Krankenhaus fuhr ich direkt zum Flughafen, um nach Australien zu fliegen und mich dort der Südpolexpedition anzuschließen. Obwohl ich noch nicht sehr kräftig war, ließ ich mich von meinem Vorhaben nicht abbringen, und ich war viel zu intensiv mit den notwendigen Vorbereitungen beschäftigt, um mich für Mordberichte zu interessieren; als es zum Prozess kam, war ich bereits auf dem Weg zum Südpol.«
    Er machte eine Pause. Alle sahen ihn gespannt an.
    »Erst vor etwa einem Monat, gleich nach meiner Rückkehr nach England, machte ich die furchtbare Entdeckung. Ich bat meine Wirtin um etwas Packpapier, und sie brachte mir einen Stoß alter Zeitungen. Als ich eine davon auf dem Tisch ausbreitete, sah ich die Fotografie eines jungen Mannes, dessen Gesicht mir bekannt vorkam. Ich versuchte vergeblich, mich zu erinnern, woher ich ihn kannte und wer er war. Seltsamerweise fiel mir nur ein, dass ich mich mit ihm über Aale unterhalten hatte; er war sehr interessiert, von mir Einzelheiten über die Lebensweise des Aals zu erfahren. Aber wann und wo? Ich las, dass der junge Mann Clark Jackson hieß, des Mordes angeklagt war und dass er der Polizei gegenüber behauptete, von einem Mann in einer schwarzen Limousine mitgenommen worden zu sein.
    Und da erwachte plötzlich die Erinnerung an die verlorenen Stunden wieder. Ich hatte den jungen Mann nach Drymouth mitgenommen und mich dort von ihm verabschiedet, war in die Wohnung zurückgegangen, zum Bahnhof, überquerte die Straße, um Zigaretten zu kaufen – ich entsann mich jetzt sogar des Lastwagens –, aber von dem Moment an setzte mein Erinnerungsvermögen noch immer aus, bis zu dem Augenblick,

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