Tödlicher Steilhang
war, mich zu heiraten, der größte Fehler deines Lebens …«
»War es auch«, unterbrach sie ihn, »ein absoluter Versager bist du.«
Georg dachte, dass sie mit dem Feuer spielte, vielmehr mit dem eigenen Leben, zumindest mit ihrer Gesundheit. Er versuchte, sich in eine andere Lage zu bringen, ohne die Tische zu bewegen. Wenn Tille auf die Frau losging, musste er sich einmischen, er durfte nicht zulassen, dass es zum Äußersten kam.
»In dieser Stinkbude muss ich stehen, jahrelang deine Rocker und Biker bedienen, dieses Gesindel mit Schmieröl an den Händen …«
»Damals standest du auf Biker, cool und hart mussten sie sein, das hat dir gefallen …«
»… ja, damals, da war ich jung und dumm, zu jung …«
»… und jetzt bist du alt und auch nicht schlauer und riechst wie eine Frittüre.« Tille brach in schallendes Gelächter aus. »Aus deinem Haar kriegst du den Geruch nie wieder raus, wie oft du es auch wäschst. Lass es abschneiden, Glatze, macht eh keinen Unterschied.«
»Damit ich aussehe wie du? Du bist nur noch widerlich, ekelig …«
Es klatschte wie bei einer Ohrfeige, Tille musste sie geschlagen haben, denn sie schrie auf.
»Schlag mich, ja, schlag mich, zu was anderem taugst du nicht mehr …«
Es klatschte wieder.
»Ich schlag dich nicht, ich bring dich um, du Hexe, mein ganzes Leben vermiest du mir mit deiner Meckerei, versprühst dein Gift. Deshalb habe ich das Magengeschwür, du bist mein Magengeschwür. Ich hätte mich mit Peter arrangiert. Der war gar nicht so übel, lange nicht so übel wie … aber du kannst nie Ruhe geben …«
»Umgebracht hast du ihn, ein Mörder bist du, deinen Schwager ermordet.«
»Du hast mich dazu gebracht, du hast immer gesagt, dass uns was einfallen muss, jahrelang hast du gehetzt, gegen deine Schwester und ihn, ja, wenn wir so ein Hotel hätten, dann – ja, was dann? Jetzt ist es passiert …«
»Du hast ihn umgebracht!«
»Und du bist die Einzige, die davon weiß«, sagte Tille fast flüsternd nach einem Moment der Stille.
»Wage es nur«, drohte sie, dann nahm die Furcht in ihrer Stimme überhand: »Nein, um Himmels … nein, tu das nicht …«
Der erstickte Schrei alarmierte Georg, er durfte nicht länger warten, er bäumte sich auf, stemmte sich gegen die Wand und drückte mit aller Kraft die Tische von sich weg. Der Stapel geriet in Bewegung, die obersten Tische kamen ins Rutschen, sie polterten zu Boden, und Tille schrie auf. Die Tische hatten ihn an der Hüfte oder am Oberschenkel getroffen.
So jedenfalls musste es geschehen sein, dachte Georg, als er die beiden vor sich sah, die schreckensbleiche Frau, die mit weit aufgerissenen Augen röchelnd ihren Hals umklammerte, und der Mann, der wie ein Schwimmer mit den Armen ruderte, um unter den Tischen hervorzukommen und der Georg wie von Sinnen mit schmerzverzerrtem Blick anstarrte. Ohne jedes Mitleid machte Georg ein Foto von Tille, der gar nichts mehr verstand, dann forderte Georg die Frau auf, mit ihm die Tische beiseitezuräumen.
Wenzel befand sich an seinem Arbeitsplatz. Zuerst war er über den neuerlichen Anruf ungehalten, Georg störe seine Ermittlungen, man brauche Zeit und ein Labor, um die Anhaftungen an der Säge zu untersuchen, einen der drei Bauarbeiter habe er bereits vernommen, die anderen beiden seien für den Nachmittag einbestellt, und Manfred werde verhört – ob Georg denn immer noch nicht zufrieden sei. Als er hörte, dass der Mörder von Peter Albers – wahrscheinlich schwer verletzt – vor Georg lag, wurde er still.
»Haben Sie ihn …« Wenzel suchte nach Worten.
»Indirekt und nur unabsichtlich.« Georg war sich keiner Schuld bewusst. »Der Krankenwagen ist unterwegs. Nun beeilen Sie sich, sonst fallen die Schwestern noch übereinander her.«
»Haben Sie ihm was getan?«, fragte der Kommissar.
»Nein, er hat sich selbst was angetan, und der Rest war Pech.«
Georg steckte das Telefon ein und sah sich den hasserfüllten Blicken von Tilles Frau ausgesetzt. Obwohl er sie gerade eben fast umgebracht hatte, würde sie ihren Mann jedem Dritten gegenüber wie eine Löwin verteidigen, wie grauenvoll und perspektivlos die Beziehung auch sein mochte. Da hatten sich zwei gefunden, die sich in ihrem Elend gegenseitig brauchten. Der Spruch, dass, wer im Glashaus saß, besser nicht mit Steinen warf, fiel ihm ein. Er selbst sollte besser nicht urteilen.
Obwohl ihn der Anblick des auf dem Boden liegenden Mannes quälte, dem die Schmerzen anzusehen waren, stellte sich
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