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Tödlicher Steilhang

Tödlicher Steilhang

Titel: Tödlicher Steilhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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Schädel wieder rasieren lassen?
    Er ging hinunter. Die Tische vor dem Gasthaus auf dem Marktplatz sowie die aufgestellten Bänke waren besetzt, viele Zuhörer standen, klatschten im Rhythmus, Anwohner hatten sich eigene Sitzgelegenheiten und Kissen mitgebracht, das Durchschnittsalter war hoch, genau wie die Stimmung.
    Crazy Crizzy & the Crizzly Bears hatten sich an der Mosel und den Hängen des Hunsrück und der Eifel Kultstatus erspielt. ›River Deep, Mountain High‹ von Tina Turner war eine Hommage an den Ort, das Tal, die Sonne, den strahlenden freien Tag. Und die sieben Crizzly Bears, Bären von dreißig bis sechzig, brachten es mit Lust und Überzeugung. ›Grape Wine‹ von Marvin Gay stammte aus der Zeit, als der Trompeter und der Posaunist noch schwarzes Haar gehabt hatten.
    Als Georg ins Gasthaus ging und sich eine Flasche Wein holte, hörte er ›Reflections of My Life‹ der schottischen Band The Marmalade. Er hatte vor der Bühne gestanden, die Band im Rücken, er hatte ein Mädchen angeschaut, aber sie hatte nichts von ihm wissen wollen. Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn sie zurückgeschaut hätte.
    Der Leadsänger mit dem Tattoo des Skorpions auf dem Oberarm brachte »Radar Love« von Golden Earring, als wäre er deren Zeitgenosse, dabei war er damals noch in den Kindergarten gegangen. Zwanzigjährige waren kaum zu sehen, dafür zuckten die Fünfzigjährigen umso mehr, es waren die Musik, der Rhythmus und das Tempo ihrer Zeit und auch Georgs Zeit, er hatte alle Bands persönlich erlebt. Das war eine gute Zeit gewesen.
    Nach dem letzten Stück sah er den Musikern beim Zusammenräumen der Instrumente und Abbau der Anlage zu. Er saß auf einer der letzten Bänke und trank die Flasche aus, er hatte nicht eine Sekunde über den Geschmack des Rieslings nachgedacht, er war ihm weder zu süß noch zu sauer gewesen, gerade richtig, passend zur Wärme und zu seiner Stimmung, die jetzt, als jemand auch ihm die Bank unter dem Hintern wegzog, in den Keller sank.
    Er dachte darüber nach, dass dieses erste Wochenende ganz gut angefangen hatte, und fragte sich, wie viele Schlaftabletten noch in der Schachtel waren. Am nächsten Tag würde die Veranstaltung der Bürgerinitiative stattfinden. Er musste hingehen, einmal, um Klaus einen Gefallen zu tun, andererseits, um den Sonntag rumzukriegen. Es würden Leute zusammenkommen, die letztlich doch nichts zu sagen hatten und von vornherein zu den Verlierern gehörten, denen weder Politiker noch die Behörden reinen Wein einschenkten. Und die Justiz stand immer auf Seiten der Betreiber solcher Großprojekte, denn die Politiker hatten dafür die entsprechenden Gesetze verabschiedet, aufgesetzt von ihren Lobbyisten.
    Politiker hielt er allesamt für korrupt oder unfähig, mit Großprojekten umzugehen. Beispiele gab es genug  – der Berliner Flughafen, das Nürburgring-Desaster, das Milliardengrab des Bahnhofs in Stuttgart. Das Personal dieses Staates war drittklassig. Wenn er Verträge abgeschlossen hatte, waren die Kosten definiert worden, bei Nichterfüllung drohten Konventionalstrafen. Nur mit dem Staat als Auftraggeber und dem Steuerzahler als Finanzier kam es zu exorbitanten Kostensteigerungen.
    Er war jetzt mehrmals am Ufer entlanggefahren und hatte kaum bemerkt, dass hier ein riesiges, das Tal überspannendes Bauwerk entstand, angeblich ein Jahrhundertbauwerk. Was war los an den Moselhängen? Morgen würde er es erfahren, es wäre gut, sich vorher im Internet schlauzumachen und nicht blauäugig in die Veranstaltung zu tappen und sich alles Mögliche erzählen zu lassen.
    Als er das Apartment betrat, sah er, dass der Schrubber hinter der Tür gerade stand. Er hatte ihn bewusst so schräg hingestellt, dass er umfallen musste, wenn die Tür geöffnet wurde. Also war jemand in der Zwischenzeit hier gewesen.

7
    Die Befürchtung, zu früh zu kommen und vielleicht irgendwo herumzustehen und nicht zu wissen, was er mit sich anfangen sollte, war unbegründet. Es war sogar schwierig, in der Nähe des Weingutes einen Parkplatz zu bekommen. Georg fuhr am Tor vorbei und wendete am Ende der nach dem Würzgarten benannten Straße, der wichtigsten und den Ort dominierenden Lage. Wie eine gewaltige Wand stieg sie hinter Ürzig in den Himmel. Was es mit der Würze auf sich hatte, würde er sicherlich erklärt bekommen, ob er wollte oder nicht. Schließlich fand Georg einen Parkplatz unten am Ufer und ging zu Fuß zurück.
    Die Informationsveranstaltung der

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